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Münchhausen-Bibl.

Vorbemerkung: Diese Homepage ist G. A. Bürger und seinem Werk gewidmet. Deshalb wird das Thema Münchhausen nur in dem Umfang behandelt, wie es unmittelbar mit Bürger und seinem Werk zusammenhängt. Da Münchhausen jedoch ein nahezu unerschöpfliches Thema ist (zusammen mit Rudolph Erich Raspe), sollte man nicht versäumen, diesem Link zu folgen:               Münchhausenbibliothek
Dort findet man (fast) alles über Münchhausen und Raspe und immer wieder neue Forschungsergebnisse.

Ein Buch, das jeder kennt, geschrieben von einem Autor, den niemand mehr kennt?
Dazu ein Beitrag von Helmut Scherer (Berlin):

            MÜNCHHAUSEN  -   Die Geschichte eines ungelogenen, unglaublichen Erfolgs.

Obgleich schon 200 Jahre tot, steht der Freiherr von Münchhausen, der über das Erscheinen ‘seiner Geschichten’ im Jahre 1786 so verbittert war, weltweit als Symbol für Phantastisches und Unglaubliches schlechthin. Still, fast unmerklich hat er, dessen leibhaftige Existenz bis zum heutigen Tage von so manchem Leser in Abrede gestellt wird, als LÜGENBARON die Herzen der Menschen erobert, hat zeitlos, alle kulturellen und sozialen Grenzen überwindend, Erwachsene wie Kinder gleichermaßen fasziniert

    Die Überlistung der Naturgesetze, das Handeln wider jede Vernunft, um sich den Verstrickungen und Bedrohungen des Lebens erfolgreich zu entziehen - das sind Wünsche, die zu allen Zeiten geträumt wurden. Von jeher wurde die menschliche Einbildungskraft beflügelt, wenn es darum ging, mit der Kunst des Lügens, mit dem Spiel der Phantasie dem Alltäglichen zu entfliehen.

    An diesen zutiefst menschlichen, und doch so unerfüllbaren Träumen, Wünschen und Hoffnungen vollzog sich der Siegeszug der Wunderbare[n] Reisen ... des Freyherrn von Münchhausen, deren Entstehungsgeschichte die Erzählungen des Landjunkers aus Bodenwerder an Unglaublichem noch übertreffen. Von Lesern über Generationen als Volksbuch mit dunkler Herkunft vereinnahmt, eroberte das berühmte skurrile Büchlein in ungezählten Auflagen und exotischsten Sprachen die Kulturen der Welt. Aber was ist das für ein Ruhm, wenn alle Welt die Geschichten des Lügenbarons kennt, doch kaum jemand ihre Autoren!

• Da ist jener Hieronymus Karl Friedrich von Münchhausen (1720-1797), ein bewunderter Erzähler, der den phantastischen Anekdoten n i c h t  n u r seinen Namen gab, der als Landadliger in jungen Jahren zur Zeit der Regentin Anna Leopoldowna in Rußland in militärischen Diensten stand und verbittert in einer deutschen Kleinstadt starb, weil er für sich den ‘gedruckten Lügenbaron’ nie gelten ließ.

• Da ist jener Rudolf Erich Raspe (1736-1794), der nicht nur verschollene Manuskripte des großen Mathematikers und Philosophen Gottfried Wilhelm Leibniz fand, sondern auch dessen Werkausgabe, die so entscheidend auf Immanuel Kant wirkte, herausgab und wegen eines Diebstahls aus dem Münzkabinett des Landgrafen von Hessen-Kassel nach England floh, wo er 1785 nicht der Satire oder des Unglimpfs wegen, sondern aus Geldnot die literarische Frivolität beging, BARON MUNCHAUSEN‘s NARRATIVE OF HIS MARVELLOUS TRAVELS AND CAMPAIGNS IN RUSSIA anonym zu veröffentlichen.

• Da ist jener Gottfried August Bürger (1747-1794), der Raspes englische Vorlage ins Deutsche übersetzte und die berühmtesten Geschichten vom Ritt auf der Kanonenkugel und vom sprichwörtlichen sich am eigenen Schopfe aus dem Sumpfe ziehen hinzudichtete, der als Göttinger Professor an seiner Universität die Philosophie Kants einführte, der als Sprachschöpfer der Nation Wörter wie “Lausejunge, querfeldein und sattelfest” schenkte und der als erfolgreicher Dichter des Sturm und Drang mit seiner Lenore zum Begründer der deutschen Kunstballade wurde, von der Theodor Fontane hundert Jahre später bewundernd feststellte:,,Der Ruhm Bürgers hat mir immer als ein Ideal vorgeschwebt: ein Gedicht und unsterblich.”

Ruhm und Unsterblichkeit – was dem weltbekannten Buch gelang, den weithin unbekannten, vergessenen Autoren war dies nicht beschieden. Auf Anonymität und Distanz achtend hatten sie zum großen Teil selber dazu beigetragen.

 


Titelbild der ersten englischen Ausgabe des “Munchausen” anonym mit Jahreszahl 1786, erschienen bereits Dezember 1785

muenchbuerger
Titelbild der anonym erschienenen deutschen Erstausgabe mit fingiertem Druckort London [d.i. Göttingen] 1786




 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 






Die Faksimile der drei Titelblätter der hier verwendeten Münchhausen-Ausgaben und ein Faksimile der englischen Ausgabe, die Bürger für seine Übersetzung nutzte, sowie ein Faksimile des Vade Mecum stellte freundlicherweise Herr Helmut Scherer (Berlin) bereit, der durch weitere nicht einzeln genannte Hinweise das jetzt vorliegende Ergebnis erst ermöglichte.
             

Ursprünglich stand an obiger Stelle das folgende Titelbild zu Münchhausen aus der Bürger-Ausgabe von Dr. Wolfgang von Wurzbach (einem bedeutenden Bürger-Forscher), Leipzig. Max Hesses Verlag 1902: 
   Auf die Überschrift folgen die zwei Zeilen:
   Glaubt´s nur, ihr gravitätischen Herrn,
   Gescheite Leute narrieren gern.
   
Wir haben das Titelbild ersetzt und nehmen dieses Titelbild zum Anlaß,      auf ein grundsätzliches Problem hinzuweisen: wer sich eine beliebige  
   Münchhausen- oder allgemein Bürger-Ausgabe zulegt, geht erst einmal 
   davon aus, dass in allen Ausgaben der gleiche Inhalt zu finden ist. Das
   ist jedoch keineswegs der Fall. Zum Teil liegt das darin, dass neuere
   Ausgaben nicht immer auf der jeweiligen Originalausgabe beruhen und
   dass andererseits eine einfache Kopie, wie sie heutzutage möglich ist,
   früher nicht angefertigt werden konnte. Konkret zu Wurzbach: das
   Titelbild ist zwar vermutlich von der Originalausgabe abgeschrieben
   worden und sollte den Eindruck eines Originals erwecken, dabei sind
   jedoch mehr als drei Fehler aufgetreten:
  1. original: “...Reisen zu Wasser und Lande...”, nicht jedoch “...Reisen zu 
  Wasser und zu Lande...”
  2. original: “...seiner Freunde selbst zu erzählen...”, selbst fehlt bei 
  Wurzbach.
  3. original: “Glaubt´s nur, ihr gravitätischen Herrn!...”, bei Wurzbach ist
  das “!” durch ein “,” ersetzt.
  

Ursprünglich stammt dieser Satz aus Christoph Martin Wielands “Die Titanomachie”
Weiterhin ist das Wurzbachsche Titelbild unvollständig, “London 1786” fehlt genauso wie der Hinweis auf die Übersetzung und die zusätzlichen Kupferstiche. Allerdings gibt es diese Fehler im Titel der Münchhausen- Geschichten leider nicht nur bei Wurzbach. Noch bedenklicher ist allerdings, wenn selbst in neuerer Zeit in sogenannten wissenschaftlichen Arbeiten Bürgers bedeutendstes Werk mit “Leonore” bezeichnet wird.
Mit freundlicher Genehmigung von Helmut Scherer (Berlin), der mich auch auf die Fehler im Wurzbachschen Titelbild aufmerksam machte, nutzen wir jetzt das in seiner Bürger-Biographie abgedruckte Titelbild. Es ist ein Faksimile der deutschen Erstausgabe und damit auf jeden Fall korrekt.

Man mag solche Diskussionen für überflüssig halten, wir haben uns jedoch für unseren Internetauftritt das Ziel gesetzt, dass sich der Leser auf die angebotenen Informationen verlassen kann, dass wir also möglichst immer vom Original, vorzugsweise der ersten Ausgabe, ausgehen - das sollte der Anspruch jedes Herausgebers sein. Das wird uns nicht sofort gelingen, wer also Fehler oder Unstimmigkeiten bemerkt, ist herzlich gebeten, uns darauf hinzuweisen - Adresse siehe Impressum.

Ein Autor der “Wunderbare Reisen...” ist nicht angegeben. Interessant in diesem Zusammenhang ist die Bürger-Gesamtausgabe aus dem Jahr 1835 von August Wilhelm Bohtz (Göttingen, Verlag der Dieterichschen Buchhandlung). Den “Münchhausen” gibt es darin überhaupt nicht - obwohl Bürger schon fast 40 Jahre tot ist. Es stellen sich damit mindestens zwei Fragen:
      woher stammen die Geschichten (“Aus dem Englischen”) und
      warum möchte der Autor Gottfried August Bürger nicht genannt werden?

Ehe wir diesen und weiteren Fragen nachgehen, eine kurze Zusammenstellung von Daten und Personen:

1764 - 1792 erscheint unter dem Titel “Vade Mecum für lustige Leute” eine Sammlung mit Schwänken und
     Historien. In den Teilen 8 und 9 (1781/1783) finden sich insgesamt 18 M-h-s-nsche Geschichten,
     ohne Angabe des Verfassers. Die Vorrede der Ausgabe enthält den Hinweis, dass diese Geschichten
     ein “Baron von Münchhausen aus Bodenwerder in der Nähe von Hameln an der Weser” zu erzählen
     pflegte.Zur Erläuterung: Vade me cum (lat., d.i. geh mit mir), ein Titel, den man Büchern von kleinem, handlichem Format
     gibt, die als Ratgeber oder Leitfaden, gleichsam als Begleiter auf Reisen und in allen möglichen Lagen und Fällen des
     Lebens dienen sollen. (aus Brockhaus´Conversations-Lexikon 1887)..

1785 erscheint in England anonym eine Geschichtensammlung unter dem Titel “Baron Munchausens
           Narrative of his marvellous travels and campaigns in Russia”.

1786 bereits dritte englische Ausgabe, erstmals mit Illustrationen und 5 zusätzlichen See-Abenteuern.

1786 erscheint anonym in Deutschland eine überarbeitete Übersetzung der englischen
     Münchhausengeschichten mit 9 Kupfern, acht Geschichten werden hinzugefügt

1788 die zweite deutsche Ausgabe ist nochmals um 7 Landabenteuer erweitert.

Die beteiligten Personen sind:

Hieronymus Carl Friedrich Freiherr von Münchhausen (1720 - 1797)
    Von 1738 bis 1752 ist er mit geringfügigen Unterbrechungen beim russischen Militär vorwiegend in
    Riga. Die Karriere ist anfangs beeindruckend: nach einem Jahr Kornett, nach einem weiteren Leutnant.
    Später gibt es Schwierigkeiten und erst 1750 wird Münchhausen Rittmeister, quittiert 1752 den Dienst und 
    geht zurück nach Bodenwerder. Man bescheinigt ihm einen schwierigen Charakter, von Selbstgerechtigkeit
    und Standesdünkel geprägt. Allerdings gilt er bei gesellschaftlichen Anlässen als brillianter Geschichten-
    erzähler. Er ist begeisterter Jäger. “Als 1786 die “Wunderbare Reisen...” erscheinen, reagiert
    Münchhausen wütend und betroffen. Zum einen empört ihn der geistige Diebstahl: es sind seine
    Geschichten, die da ohne sein Wissen veröffentlicht wurden. Sehr viel stärker allerdings reagiert er auf
    die Zuschreibung “Lügenbaron”. Er fühlt sich in seiner Offiziers und Standesehre gekränkt, diffamiert und
    lächerlich, zur Witzfigur gemacht. Ein Verwandter hält ihn mit Mühe davon ab, den Verleger zu verklagen,
    mahnt ihn, die Sache mit Humor zu nehmen.” (aus Münchhausen-Illustrationen aus zwei Jahrhunderten
    -Sammlung Bodenwerder-) Mit 73 Jahren heiratet Münchhausen 1794 eine 17-jährige, die ver-
    gnügungs- und genußsüchtig, kokett und leichtlebig Münchhausens Geld verschwendet.

Rudolph Erich Raspe (1736 - 1794)
    Er wird 1736 geboren und wächst in Hannover auf, studiert in
Göttingen und Leipzig. Von 1767 an ist er
    Professor der Altertümer und Aufseher des fürstlichen Antiquitäten- und Münzkabinetts in Kassel. Raspe
    macht Schulden, veruntreut Münzen und übersiedelt 1775 nach England, wo er viele Jahre im
    Bergwerkswesen arbeitet. Raspe ist eine ungewöhnlich vielseitige Persönlichkeit, er wirkt als Dichter,
    Zeichner, Geologe, Kunstsachverständiger und Übersetzer (z.B. Lessings Nathan der Weise) - viel
    Interessantes dazu findet man in Münchhausen - Raspe - Bürger: ein phantastisches Triumvirat
    (pdf,1MB) von Bernhard Wiebel 1989.

Gottfried August Bürger (1747 - 1794)
    Bürger ist seit 1784 Privatdozent an der Universität Göttingen und eng mit dem belesenen Aphoristiker
    und Physiker Georg Christoph Lichtenberg befreundet. Gegenüber den Professoren der Universität hat
    Bürger einen schweren Stand. Einmal wird er als Dichter nicht als Wissenschaftler akzeptiert.
    Andererseits ist Bürger in seinen Äußerungen gegenüber seinen Kollegen extrem undiplomatisch,
    insofern ist er das Gegenteil von Lichtenberg, der mit der Obrigkeit immer gut auskommt - dieser
    verhält sich taktisch geschickter und provoziert nicht unnötig Auseinandersetzungen. So ist es
    verständlich, dass Bürger den “Münchhausen” anonym veröffentlicht - er befürchtet sonst eine weitere
    Schwächung seiner Position an der Universität. Lichtenberg soll angeblich Bürger bei den
    Münchhausen-Geschichten unterstützt haben. Ein Honorar für den Münchhausen hat Bürger weder
    verlangt noch bekommen.

Soweit Jahreszahlen und Personen. Im Weiteren folgen wir den Ausführungen Erich Ebsteins. In einem äußerlich unscheinbarem Buch mit dem Umschlagtitel “Münchhausen”, gedruckt von der Spamerschen Buckdruckerei in Leipzig 1925 findet man
   - Bürgers Münchhausen nach der Erstausgabe von 1786 ohne die Kupfer, aber mit vier Federzeichnungen
    von Joseph Hegenbarth
   - die Münchhausengeschichten im Vade Mecum für lustige Leute und
   - ein Nachwort von Erich Ebstein.
Diesem Nachwort wenden wir uns jetzt zu. Ebstein.weist darauf hin, dass erst seit 1902 der “Münchhausen” in Bürgers gesammelte Werke aufgenommen wurde. Dabei soll ausgerechnet Wurzbach den “verballhornten” Text von 1788 verwendet haben. Für den heutigen Leser durchaus ein Problem: nicht in jeder Bürger-Ausgabe ist der originale Bürger drin. Doch zurück zu Münchhausen.

Im “Vade Mecum für lustige Leute” erschienen 1781 und 1783 insgesamt 17 M-h-s-nsche Geschichten, die Raspe die Vorlage lieferten. Der Autor dieser Geschichten ist nicht bekannt, R.E. Raspe ist jedoch auszuschließen.
Sehr wahrscheinlich ist der unbekannte Autor jedoch aus dem Göttinger Umfeld:
    
    Vade Mecum 1781       Vade Mecum 1783

   Bürger hat in seiner ersten Ausgabe von 1786 sieben eigene 
   Geschichten hinzugefügt:
   - den Fang der wilden Enten mit Speck
   - die Geschichte von dem immer noch hauenden Arm
   - den Ritt auf Kanonenkugeln durch die Luft
   - den Sprung mit seinem Pferd durch eine Kutsche
   - die Rettung an seinem Haarzopfe aus dem Moraste
   - den Fang eines Bären auf einer Wagendeichsel
   - das fünfte See-Abenteuer.

Zur Geschichte des Vade Mecum hat Bernhard Wiebel (Zürich) geforscht.
Die erste Ausgabe enthält 9 Kupferstiche von Riepenhausen. Die Aufnahme der wieder deutsch gewordenen Geschichten war nicht überwältigend. In Friedrich Nicolais Allgem. Deutschen Bibliothek (Band 98) heißt es nur. “Eine Sammlung von Lügen, die von dem Baron M. lange erzählt sind, zum Teil aber von dem ungenannten Verfasser dieser elenden Schrift wohl selbst erfunden sein mögen”.

Die zweite Ausgabe von Bürgers Münchhausen beruht auf der fünften Auflage der Raspeschen Geschichten, arbeitet wiederum mit dem fingierten Druckort London und enthält weitere sieben von Bürger selbst erfundene Geschichten:
   - canonisiert einen alten General
   - die Hühnerjagd mit dem Ladestocke
   - der sinnreiche Gebrauch von Wasser und Kälte
   - die Jagd mit dem Hühnerhund Piel
   - Glücklicher Ausgang eines unglücklichen Rittes
   - sein Hund steht vierzehn Tage
   - der achtbeinige Hase
   - die Taten der hinteren Hälfte des Pferdes.
Besonders interessant ist, dass Ebstein in den Bürger-Texten eine ganze Reihe von zeitkritischen Anmerkungen findet, teilweise gehen sie wohl auf G. Ch. Lichtenberg, Bürgers Freund, zurück.

Der erste, der nach Bürgers Tod die Anonymität des Verfassers des Münchhausen lüftete, war sein guter Freund und Arzt Ludwig Christoph Althof. Er hat in seiner Biographie Bürgers, die 1798 herauskam, zum ersten Mal den Münchhausen angeführt, wenn auch mit falscher Jahreszahl, 1787 anstelle 1786.

Ebstein analysiert auch den Briefwechsel Bürgers mit seinem Verleger Dietrich sowie einzelne Passagen aus dem Vade Mecum sowie dem Raspeschen Münchhausen und meint, dass Bürger selbst als Autor der Geschichten im Vade Mecum nicht auszuschließen ist. Das bleibt aber wohl Spekulation, aus einem Bürger-Brief an Dietrich (vermutlich 1. Januar 1781) veröffentlicht er jedoch eine hübsche Zeichnung Bürgers

     
                                                            Titelbild der dritten englischen Ausgabe des
                                                                               “Munchausen”, die Bürger als Vorlage diente

Neben diesem Brief mit der Bürger-Zeichnung hatte Ebstein noch ein zweiter Brief zu denken gegeben: am 22.3.1779 schreibt Bürger an seinen Verleger “Gieb acht, ob dir nicht bald eine Stimme vom Himmel zurufen wird: Dietrich, Dietrich! Diese That, daß du dem Bürger 20 Pistolen schaffest, sol dir, hol mich der Teufel! nicht unbelohnt bleiben.” Im “Achten Theil” des “Vade Mecum für lustige Leute”, das 1781 erschien, steht: “Und eine Stimme ließ sich vom Himmel hören: M-n, M-n, das soll dir, hol mich der Teufel, nicht unbelohnt bleiben!”
In der ersten Ausgabe des Raspeschen Münchhausen von 1786 lautet die Stelle:
“I`ll be damned, my son, if I do not reward it in time”.
In der Bürgerschen Übertragung heißt es dann:
“Plötzlich erscholl eine Stimme vom Himmel, die ... mir zurief:
      Hohl mich der Teufel, mein Sohn,
      das soll dir nicht unvergolten bleiben!”
Ebstein stellt dann die Frage, ob diese Stellen nicht einfach eine biblische Reminiscens sind, dergleichen Bürger besonders liebte, denn 1779 war das betreffende Vade Mecum noch nicht erschienen.

Neben der zitierten Arbeit von Erich Ebstein 1925 gibt es noch wichtige Veröffentlichungen zum gleichen Thema

von Adolf Ellisen 1849,     Eduard Grisebach 1880 und     Hans von Müller 1906

Interessant ist sicher ein Vergleich einer Geschichte aus dem Vade Mecum mit der Geschichte, die Raspe und Bürger daraus gemacht haben: die Geschichte mit dem Hirsch und dem Kirschbaum auf dessen Haupt 
 
                              Die Geschichte im Vade Mecum
Einmal auf der Jagd hatt´ ich mich an Schroot schon ganz verschossen; und da find ich noch einen stattlichen Hirschen, der so still mir gerade gegenüber steht, als wenn er meinen Mangel wüßte. Ich lade geschwinde mit Pulver, und setze eine Menge Kirschkerne , wovon ich schnell das Fleisch absauge, droben auf, und schießen den Hirschen gerade vor die Stirne. Er prellt zurück, aber er entkömmt mir bald. Ein Jahr nachher geh´ ich im selben Walde, und da kömmt mir ein Hirsch entgegen, aus dessen Stirne ein Kirschbaum mit Blättern und schöner Blüthe hervorsteht. Ich erkenne sogleich mein Eigenthum, und diesmal entkam er mir nicht mehr. 

             nach Raspe

You have heard, I dare say, of the hunter´s and sportsman's saint and protector, Saint Hubert; and of the noble stag, which appeared to him in the forest, with the holy cross between his antlers. I have paid my homage to that saint every year in good fellowship, and seen this stag a thousand times, either painted in churches or embroidered in the stars of his knights; so that upon the honour and conscience of a good sportsman, I hardly know whether there may not have been formerly, or whether there are not such crossed stags even at this present day. But let me rather tell what I have seen myself. Having one day spent all my shot, I found myself unexpectedly in presence of a stately stag, looking at me as unconcernedly, as if he had known of my empty pouches. I charged immediately with powder, and upon it a good handful of cherry-stones, for I had partly sucked the flesh as far as the hurry would permit. Thus I let fly at him, and hit him just on the middle of the forehead, between his antlers.It stunned him -he staggered -yet he made off. A year or two after I was with a party in the same forest - and behold a noble stag comes out with a fine full-grown cherry-tree above ten feet high between his antlers. I recollected my former adventure, looked upon him as my property, and brought him to the ground by one shot, which at once gave me the haunch and cherrysauce; for the tree was covered with the richest fruit, the like I never had tasted before. Who knows but some passionate holy sportsman, or sporting abbot or biship, may have shot, planted, and fixed the cross between the antlers of Saint Hubert's stag in a manner similar to this: they always have been and still are famous for plantations of crosses and antlers; and, in a case of distress or dilemma, which too often happens to gallant sportsmen, one is apt to grasp at any thing for safety, and to try any expedient rather than miss the favourable opportunity. I have many times found myself in that trying situation.    

                   nach Bürger

Sie haben unstreitig, meine Herren, von dem heiligen Schutzpatron der Waidmänner und Schützen, St. Hubert, nicht minder auch von dem stattlichen Hirsche gehört, der ihm einst im Walde aifstieß, und welcher das heilige Kreuz zwischen seinem Geweyhe trug. Diesem Sankt habe ich noch alle Jahre mein Opfer in guter Gesellschaft dargebracht, und den Hirsch wohl tausendmal, sowohl in Kirchen abgemahlt, als auch in die Sterne seiner Ritter gestickt, gesehen, so daß ich auf Ehre und Gewissen eines braven Waidmanns kaum zu sagen weiß, ob es entweder nicht vor Zeiten solcher Kreuzhirsche gegeben habe, oder wohl gar noch heutigen Tages gebe. Doch lassen Sie sich vielmehr erzählen, was ich mit meinen eigenen Augen sah. Einst, als ich all mein Bley verschossen hatte, stieß mir. ganz wider mein Vermuthen, der stattlichste Hirsch von der Welt auf. Er blickte mir so, mir nichts, dir nichts, ins Auge, als ob ers auswendig gewußt hätte, daß mein Beutel leer war. Augenblicklich lud ich indessen meine Flinte mit Pulver und darüber her eine ganze Hand voll Kirschkerne, wovon ich, so hurtig sich das thun ließ, das Fleisch abgesogen hatte. Und so gab ich ihm die volle Ladung mitten auf seine Stirn zwischen das Geweyhe. Der Schuß betäubte ihn zwar - er taumelte - machte sich aber doch aus dem Staube. Ein oder zwey Jahre darnach war ich in eben demselben Walde auf der Jagd; und siehe! zum Vorschein kam ein stattlicher Hirsch mit einem voll ausgewachsenen Kirschbaume, mehr denn zehn Fuß hoch, zwischen seinem Geweyhe. Mir fiel gleich mein voriges Abentheuer wieder ein; ich betrachtete den Hirsch als mein längst wohl erworbenes Eigenthum, und legte ihn mit einem Schusse zu Boden, wodurch ich denn auf einmal an Braten und Kirschtunke zugleich gerieth. Denn der Baum hing reichlich voll Früchte, die ich in meinem ganzen Leben so delicat nicht gegessen hatte. Wer kann nun wohl sagen, ob nicht irgend ein passionierter heiliger Waidmann, ein jagdlustiger Abt oder Bischoff, das Kreuz auf eine ähnliche Art durch einen Schuß auf St. Huberts Hirsch zwischen das Gehörn gepflanzt habe? Denn diese Herren waren ja von je und je wegen ihres Kreuz- und Hörnerpflanzens berühmt, und sind es zum Theil noch bis auf den heutigen Tag. Im Falle der Noth, und wenn es Ought or nought gilt, welches einem braven Waidmanne nicht selten begegnet, greift er lieber wer weiß wozu, und versucht eher alles, als daß er sich die günstige Gelegenheit entwischen läßt. Ich habe mich manches liebe Mal selbst in einer solchen Lage der Versuchung befunden.

Die Geschichte nach Raspe ist der Bürger vorliegenden dritten englischen Ausgabe von April 1786 entnommen, das Titelblatt ist oben zu sehen. Die Bürgersche Geschichte entstammt der von Ebstein 1925 herausgegebenen Ausgabe von “Münchhausen”, die sich wortgetreu an die erste Übersetzung Bürgers von 1786 hält..

Ebstein bemängelte 1925 noch, daß eine Analyse der Bürgerschen Übersetzung aus dem Englischen fehlt. Diese Lücke ist inzwischen geschlossen worden. Freundlicherweise machte Helmut Scherer (Berlin) eine entsprechende Doktorarbeit an der Universität Zürich zugänglich, die 1964 in Winterthur gedruckt wurde:

“Gottfried August Bürgers Übersetzungen aus dem Englischen” von Penelope E.A.L. Scott

Den Abschnitt über die Münchhausen-Übersetzung bieten wir vollständig an, es wäre schwierig, daraus einzelne Teile zu entnehmen. Einen Leitgedanken daraus stellen wir jedoch voran:

   “Man darf deshalb sagen, Bürger hat durch seine Auslassungen und Erweiterungen nichts Grundsätzliches 
   geändert, trotzdem aber ist bei einem Vergleich der beiden Texte ein Unterschied zu spüren. Man möchte
   fast den deutschen Text als ursprünglich ansehen. Für diese erstaunliche Tatsache ist eine Erklärung in
   Bürgers “Gedanken über die Beschaffenheit einer deutschen Übersetzung des Homer” zu finden: eine
   Übersetzung müsse so ursprünglich wirken und gut verdeutscht sein, daß der Leser vergesse, daß das,
   was er liest, übersetzt sei, und in den süßen Wahn gerät, daß Homer ein alter Deutscher gewesen und
   seine Ilias deutsch gesungen habe. Dieses Ziel hat es so gut erreicht, daß man - wie wir wissen - seinen
   Münchhausen bis 1824 (Reinhard Ausgabe) als ein originales Werk Bürgers angesehen hat.”

Einige konkrete Aspekte sind
- Geschichten, die dem ursprünglichen Geist der Münchhausen-Geschichten des Vade Mecum nicht 
  entsprachen sowie typisch englische Motive hat Bürger gar nicht erst übersetzt,
- Wo immer es möglich war, hat Bürger direkt übersetzt, was man an der Geschichte mit dem Kirschbaum
  auf dem Hirschhaupt selbst nachvollziehen kann
Bürger gestaltet die Übergänge zwischen den Geschichten fließend und logisch, dadurch wird eine große
  Einheitlichkeit erzielt.
- manchmal wurde auch eine Person näher charakterisiert (aus dem etwas blaß im Hintergrund bleibenden
  Vetter mütterlicherseits wird ein lustiger, schwarzbärtiger Husar.

Der vollständige Text: Penelope E.A.L. Scott : IV. Kapitel Münchhausen .

Damit verlassen wir Ebstein mit seinem Nachwort aus dem Jahre 1925 und wenden uns der neueren Bürger- bzw. Münchhausen-Forschung zu.

Nach aktuellem Stand der Forschung ist Raspe auch der Zeichner der ersten Münchhausen-Illustrationen. Es ist jedoch nicht erwiesen, dass Raspe auch der Autor für die Geschichten im Vademecum ist. In der unten genannten Arbeit kommt Wiebel zu folgenden Schlüssen:
 1. Raspe ist wirklich der erste Illustrator des Münchausen.
 2. Die Reihenfolge, in der die Bilder in den Ausgaben des Jahres 1786 entstehen, ist rekonstruierbar.
 3. Ernst Ludwig Riepenhausen, der erste Illustrator der Bürger-Ausgabe von 1786, hat acht Bildmotive von
    Raspe übernommen, und nicht nur vier, wie bisher angenommen.
 4. Riepenhausen hat eine andere englische Ausgabe zur Vorlage benutzt als Bürger und mit der
   Abwandlung seiner Vorbilder eine Domestizierung des Münchhausen in Gang gesetzt.
Die Münchhausen-Geschichten sind ein endloses Thema. Einmal gibt es immer wieder Arbeiten in diesem Stil, besonders aber gibt es immer wieder neue Ausgaben der originalen Geschichten in den verschiedensten Sprachen mit neuen Illustrationen. Dabei gibt es große Unterschiede zwischen verschiedenen Ländern, insbesondere in Amerika dominiert die Raspesche Version des Münchhausen. 
Eine zentrale Anlaufstelle für Interessenten ist die Münchhausenbibliothek. Hier wird alles gesammelt, was direkt oder indirekt mit Münchhausen zusammenhängt. Einer der dort angebotenen Artikel (Münchhausen-Raspe-Bürger-ein-phantastisches-Triumvirat) ist weiter oben im Abschnitt über Raspe separat zugänglich: Hier wird der umtriebige Raspe eingehend gewürdigt und ausführlich werden die Illustrationen von Raspe und Riepenhausen diskutiert. Einen Überblick über Münchhausen-Illustrationen aus zwei Jahrhunderten sowie eine Zusammenstellung der Bestände der Sammlung Bodenwerder, des Heimatortes Münchhausens, findet man im Buch von Thekla Gehrmann “Bilder&Bücher” Stadt Bodenwerder 1992.
Als Anregung zur weiteren Beschäftigung mit Münchhausen zwei Illustrationen aus dem Bestand des Molmerswender Museums: 1819 erschien in Stockholm “Friherre von Münchhausens Sällsamma Resor” mit 13 Kopparstick. Zwei davon zeigen die wahrscheinlich besten und zweifelsfrei von Bürger selbst erfundenen Münchhausen-Geschichten:

- Der Ritt auf der Kanonenkugel und

- wie sich Münchhausen am eigenen Zopf aus dem Sumpf zieht.
Auch wenn der Illustrator nicht genannt ist, handelt es sich offensichtlich um Stiche von Riepenhausen, man vergleiche die Seiten 141/142 in Thekla Gehrmanns o.g. Buch

 

 



Illustrationen der schwedischen Ausgabe von 1819           :