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Bürger-Rezeption Volltexte 1898-1915
bis 1789 1790-1799 1800-1806 1807-1815 1816-1821 1822-1825 1826-1828 1829-1831
1832-1836 1837-1840 1841-1845 1846-1850 1851-1855 1856-1858 1859-1861 1862-1865
1866-1868 1869-1870 1871-1880 1881-1897 1898-1915 1916-1949 ab 1950
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1898
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Salzer, Anselm. Der Hainbund. In: Wilhelm Lindemanns Geschichte der Deutschen Litteratur. Zweite Abteilung.
“[S. 643] Bürgers schönes Talent hätte wohl eine Ausführung der
hohen Herderschen Wünsche und Strebungen möglich erscheinen lassen. Er warf zuerst das Volkstümliche in seine Gedichte hineinn, und sieh, alle Kreise des deutschen Volkes erkannten in Bürger den wahren Dichter. Die
Dichterhand griff unablässig ins frische Leben, vorzüglich in das eigene, hinein; aber ach! das Leben war nicht geläutert, das Herz von Leidenschaften zerrissen, die Dichterliebe eine unreine Flamme, sein Ringen ein
Spiel unsittlicher Mächte, darum ohne reine Poesie. [...]
[S. 644] Die übrigen Lieder haben meist die Liebe Mollys zum Gegenstand; aber die sündhafte Liebe ist ein ´Krankheit schwer und unheilbar´; und
wollten wir das Unsittliche daran vergessen, der Dichter läßt es nicht zu, indem er, wie Schiller bemerkt, sein Liebesverhältnis zu individuell faßt. Nur einzelnes wie: ´Die Holde, die ich meine´, ´Ach könnt´ ich
Molly kaufen´, ´In dem Himmel quillt die Fülle´, kann wirklich anziehen. Durch sein Streben nach Formschönheit wurde Bürger auch zu der lange vergessenen Kunstform des Sonettes geführt, dem er indes meistens
trochäische Verse zuweist. Aber Inhalt und Form decken sich bei ihm, die Kongruenz zwischen beiden ist ihm eine wesentliche Forderung; er weiß seine Empfindungen zu einer Situation zu verdichten und der lyrische
Ausdruck strömt ihm in reicher Fülle zu. [...] Einzelne von diesen Sonetten, besonders das mit dem ergreifenden Schluß: ´Herz, ich wollte, du auch würdest alt´, verdienen wohl als wahre Perlen bezeichnet zu werden.
Ein prächtiges Lied ist noch ´Das Blümchen Wunderhold´.[...] Von Bürgers epischen Gedichten erwähnen wir zuerst die wenigstens nicht mißlungene Legende ´Sankt Stephan´. [...] Die Balladen nach Percy: ´Der
Kaiser und der Abt´, ´Die Entführung´, ´Bruder Graurock´, möchte man für Originale halten. Bürgers erste selbständige Ballade ´Lenore´(1774) ist auch die beste; [...]. Von annähernder Güte sind das ´Lied vom braven
Mann´, das ´Lied von der Treue´, ´Der wilde Jäger´ und ´Robert´ (Seitenstück zu Claudius´ ´Phidile´). Die drollige Naivetät im ´Raubgraf´ und in den ´Weibern von Weinsberg´ wird man noch passieren lassen, aber
trivial wird ´Frau Schnips´, die ´Entführung Europas´ giebt sich selbst als Bänkelsänger-Produkt, ´Lenardo und Blandine´, nach Boccaz, ist verfehlt, widerlich ´Die Tochter des Pfarrers von Taubenhain´. Endlich mußte
Bürger noch gar der geschwätzig-lüsternen Wielandschen Manier huldigen (`Veit Ehrenwort´, ´Königin von Golkonde´).”
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1898
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Dühring, Emilie. Gedenkzettel an Bürger und Denkzettel für dessen Neider. In: Der Moderne Völkergeist. Nr. 1.
“Gedenkzettel an Bürger
und Denkzettel für dessen Neider. 1. ´Ueber Nattern weg und Molche, Mitten hin durch Pfeil´ und Dolche´ Nahmst und nimmst du deinen Weg. So gerieth dein wirklich Streben
Nach dem höchsten Liebesleben; So verkehrte man dein Sein In der Nächst- und Nachwelt Schein.
2. Und Fortunen, dieser Glückesdirne Botest du mit unbeirrter Stirne,
´Was noch keiner ihr geboten hat´. An den Pranger stelltes du die bloße, Der ´das ärgste Schandgesindel´ lieb. Die verrieth fast jederzeit das Große, Krönte meist den allerfrechsten Dieb.
3. Schwärzen mochte dich der Schwabenschiller Und der Schwäbin Falschheit hintergehn Mit der üblich affichirten Treue, Die doch niemals ernstlich wird bestehen.
Jener Schillerer mochte sich versteigen, Schwarz zu pinseln, was er nicht verstand, Um damit das eigne Bild zu zeigen Von Naturkraft völlig fast entmannt.
Endlich kommt nun doch die Rachegöttin, Die sein Thun im rechten Lichte weist Und zur Unehr´ ihm den falschen Nimbus Von der mimenhaften Stirne reißt.
4.
Vornehm that ja auch der Herr ´vom Kothe´ Gegen dich, obwohl er nicht mal ´Gothe´, Sondern nur ein Furter Franke war; Er, der Knecht von vielen Liebelinen, Von Philinen, Mühlerinen
Und so manchen andern Trinen, Die zusammen all´ geschachtelt Stückwerk bloßer Liebelei.
Ja, das ´Alltagsstück Minister´ Mit dem Liebelingeschwister Spreizte sich vor dir als Weimar-d-rath,
Als Geheimer, Excellenz, - worin denn Excellirt er? In der kleinen Lyrik etwa? Nein, die dünkt´ ihn gar so groß, Daß er eifersüchtig auswich Vor ´nem Concurrentenstoß.
5.
Fest dem schrägen Schicksalsschieben Trotztes du mit gradem Sein, Zeigtest uns dein ganzes Lieben Ohne Scheu und ohne Schein.
Dieses mit den mächt´gen Trieben Warf dich aus der glatten Bahn,
Und so jähem Kampf verschrieben - Fand dich bald der Läst´rung Zahn.
Sieger bist du doch geblieben, Ob an dir sich auch gerieben Noch bis heut der Neider Brut Und versteckt dein bestes Gut.
Das zu eigen nahm dein Herz, Das du decktest mit dem Schild, Das noch Trost in letzten Schmerz, Deiner stärksten Liebe Bild -
Uebermächtig steigt es wieder Aus dem Schutt der Zeit empor,
Und man sengt die Häls´ der Hyder, Die sich wider dich verschwor.
6. Volksballadenrasseldichter Solltest du - nicht Andr´res sein, Meinte kritisches Gelichter,
Stellt´ dich so in falsche Reihn.
Aber hoch noch über Wegen Donnernder Balladenkraft Hast du von der Blitze Stegen Weiter dich emporgerafft,
Wo sich sanft´re Heimat je malte,
Freundlicher die Sonne strahlte, Solcher Liebe Geister stehn, Die noch niemals sie gesehn;
Wo die edlen Formen wohnen, Wo der Sprache Zauber thronen Und den Geist von sich entbinden,
Daß er Hohes mag verkünden.
Dort erhob sich hin dein Sinnen; Dort verklärte sich dein Minnen; Dort erblühte dir die Kraft, Reg´ für Alles, was da schafft.
Ende December 1897, Frau Emilie Dühring.”
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1898
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Harnack, Otto. Schillers Leben. Berlin. (Sammlung Klaus Damert)
“[S. 203] Während sich Schiller so entschlossen von der Dichtkunst
zurückzog - so entschlossen, daß er selbst zu poetischen Stammbucheinträgen in dieser Zeit ältere Verse, zurückgebliebene Strophen der ´Künstler` verwandte - ließ er ein strenges Gericht über einen anderen Dichter
ergehen, der nicht solche Selbstzensur übte. Bei Schillers Rezension über Bürgers Gedichte bewährt sich mutatis mutandis der Spruch Goethes: ´Wer Euch am strengsten kritisiert,
Ein Dilettant, der sich registriert.´ Zwar kein Dilettant kritisiert hier, wohl aber ein Dichter, der sich aufs entschiedenste ´resigniert´ hatte. Wenn Bürger für unmöglich hielt, daß Schiller diese
Rezension verfaßt habe, weil er damit seine eigenen Gedichte verdammt haben würde, so entging ihm gänzlich, daß Schiller gerade das aus vollster Seele wollte und tat; in Bürger stieß er den eigenen alten Menschen
von sich. Es ist klar, daß unter solchen Umständen die Rezension sich nicht durch Billigkeit auszeichnen konnte. Sich auf den Standpunkt des Autors zu versetzen, ist die erste Bedingung gerechter Kritik; sie
verweigern ist nur gestattet, wenn man glaubt, das Werk von vornherein als ´unter aller Kritik´ betrachten zu dürfen. Diese Meinung lag auch der Schillerschen Rezension tatsächlich zugrunde, und eben darum konnten
auch alle einzelnen Lobsprüche, mit denen nicht gekargt war, den vernichtenden Eindruck nicht aufheben. Talent in verschiedener Hinsicht wurde Bürger zuerkannt; aber ein Talent, das mutwillig durch die unerzogene
Persönlichkeit des Dichters verschleudert und vergeudet war. Und nicht nur in einzelnen Plattheiten und Schlüpfrigkeiten fand Schiller diesen Verderb des Talents, sondern in der Ungezähmtheit, mit der sich die
maßlose, den Dichter zerrüttende Leidenschaft in seine Dichtung hineindrängte, die künstlerische ldealisienmg von sich wies und deshalb auch die äußere Formvollendung unmöglich machte. In diesem Urteil
über Bürgers Person und Leistung ist viel Wahres; ja das meiste ist wahr, und doch setzte sich Schiller mit dieser Rezension im ganzen ins Unrecht. Zunächst war die Theorie, die er zugrunde legte und verfocht, eine
unmögliche; seine Lehre von der Idealisierung, wie sie hier ausgesprochen, würde tatsächlich die lyrische Dichtung töten. Wenn verlangt wird, daß die Dichtkunst die Sitte, den Charakter, die ganze Weisheit ihrer
Zeit geläutert und veredelt in ihrem Spiegel sammeln solle, daß der Dichter der aufgeklärte verfeinerte Wortführer der Volksgefühle ein solle, der die Geheimnisse des Denkens in leicht zu entziffernder Bildersprache
dem Kindersinn zu erraten gebe, - so meint man eher, daß von einem Verkünder populärer Philosophie nach Art Garves oder Engels die Rede sei, als von einem lyrischen Dichter. Es war eben Schillern damals die
selbständige Bedeutung des Ästhetischen noch nicht aufgegangen. Er selbst hat später ein klares Bewußtsein dieses Mangels gehabt, wenn er nur an dem Endurteil über Bürger festhielt, die ´Beweise´ aber, die er dafür
angeführt, preisgab. Wir jedoch müssen auch gegen das Endurteil Einspruch erheben. Waren auch die Vorwürfe meist berechtigt, so fehlte das Bewußtsein der eigentümlichen dichterischen Kraft Bürgers. Bürger war nicht
nur talentvoll, sondern in ihm lebte ein Funke genialen Feuers. Und er hatte das Recht, trotz aller Mängel seiner Ausbildung, ein Urteil zu fordern, das von der Achtung vor dieser poetischen Genialität getragen war.
Dafür ließ Schillers Rezension das Verständnis vermissen; von der Nachwelt ist sie nicht bestätigt worden. Aber ein glänzendes Zeugnis ist sie für den Ernst, mit dem Schiller damals sich selbst zu reinem
künstlerischen Schaffen zu erziehen strebte. Die Form hatte Schiller übrigens durchaus rücksichtsvoll und würdig gehalten; zu dem damals oft recht derben und polternden Rezensententon hatte er
sich nicht herabgelassen. Formell konnte sich Bürger nicht beleidigt fühlen; aber die sachlichen Angriffe trafen ihn ins Herz. Geistig ind körperlich schon dahinsiechend, ward er jetzt völlig niedergeworfen. Es war
ein tragisches Verhängnis, daß dies unter einem Streich geschah, der nicht eigentlich gegen ihn gezielt war, an dem der Gegener nur die Schärfe der eigenen Waffen hatte erproben wollen.“
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1898
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Konversations-Lexikon
“Im eigentlichen Liede, wo er sich dem Volkstone nähert und sich nicht, wie im ´Hohen Lied´ oder in der ´Nachtfeier der Venus´, mit Rhetorik und
rhythmischem Glanze begnügt, steht B. den besten Dichtern gleich. Seine Liebesgedichte, obschon sie die Liebe mehr in ihrem sinnlichen Gehalt als in ihren zarten Tiefen und geistigen Elementen erfassen, sind oft
hinreißend durch den klangvollen Strom der Worte und die leidenschaftliche Glut des Gefühls. Er zuerst wieder ließ alle Empfindungen des Herzens in seinen Versen zu völlig ungekünstelten, ehrlichen und doch poetisch
vollendetem Ausdruck gelangen. B. ist als Mitschöpfer der neudeutschen Dichtersprache zu betrachten.”
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1898
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Wildenbruch, Ernst von. Die Waidfrau. In: Tiefe Wasser, Berlin. Digitalisiert von Google
“[S. 307] Sie nahm Abschied von dem Zimmer, Abschied von ihm - es war ihr, als nähme sie Abschied von sich selbst.
Dann wieder vom Fußboden gingen ihre starren trockenen Augen zu dem Sopha zurück. War er nicht da? Wirklich nicht da? Ein Gedicht fiel ihr ein, das sie als Kind in der Schule auswendig gelernt
hatte. ´Lenore fuhr ums Morgenroth´, so fing es an. Dann war von einem todten Soldaten erzählt, der aus Böhmen geritten kam in der Nacht, seine Liebste mit sich zu nehmen über Stock und Stein, ins ferne Grab.
´Er war mit König Friedrich's Macht gezogen in die Prager Schlacht und hatte nicht geschrieben, ob er gesund geblieben.´ Das hatte sie noch behalten.
War das Alles nur Fabel, was in dem alten Gedicht erzählt war? Konnte so etwas in Wirklichkeit nicht geschehen?”
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1898
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Badische Landes-Zeitung, II. Blatt 12.8.1898
Der Fabrikant der bekannten 'Friedenswurst, an deren einem Ende Mc Kinley und an deren anderem Spanien zieht', erfreut uns mit einem neuen Produkt seines schätzbaren Humors. Der
Wurstkessel-Korrespondent des 'Säckinger Volksblatts' schreibt nämlich in seiner neuesten Wochenschau: 'In Spanien werden die Friedensböller gelöst. Mc Kinley und die Königin, des langen Haderns müde, erweichten
ihren harten Sinn und schlossen endlich Friede."
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1898
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Gottfried August Bürger. in Kölnische Zeitung 01.01.1898
"Ein Kämpfender, ein Ringender, das Kind der Sturm= und Drangperiode, dem die Ueberwindung nicht vergönnt, dem der endliche Sieg nicht beschieden gewesen, tritt uns aus den
Balladen und vor allem aus den Liedern, aus der Liebeslyrik G. August Bürgers deutlich entgegen. Schiller ist ihm in seiner Recension nicht gerecht geworden und konnte ihm nicht gerecht werden. Denn aus zu
verschiedenen Quellen schöpfen Schiller und Bürger Kunst. Schiller, der Schüler Kants, haftet an der Idee, Bürger, der wie Herder gemäß ausgehen mußte, haftet an dem Gegenstand, an der Erscheinung. Bei Schiller ist
alles gedacht, zum Wort verdichteter Gedanke, in den Satz gebannte Idee, bei Bürger alles sinnlich, in die Dichtung emporgehobene Erscheinung, durch das poetische Wort verklärter Gegenstand, durch die individuelle
Anschauung zur Kunst emporgehobenes geschautes Leben. Aus diesen Gründen erklärt sich auch die Eigenart von Bürgers Dichtung, diese Eigenart, die in der Ballade ihre höchsten Triumphe feiert, für die der
selbstgelebte Inhalt der Liebeslieder zu dem einzig denkbaren Stoff der Dichtung wird. Nachahmung des Lebens, des ganzen sinnlichen Lebens bis zum Ton der Worte, bis zum Klang der Verse, bis zum Malen der Sprache
und der Wirkung, die die Reime auf das Ohr des Hörers ausüben, ist das Eigentümlichste an Bürgers Dichtung. In der Leonore hat er den Höhepunct seines Schaffens erreicht, sie hat er in seinem ganzen Leben nicht mehr
übertroffen. Allein diesem Höhepunct seiner Dichtung, der sich in dem sich völlig deckenden, sich als gleichartiges Element ergänzenden Einflusse von Wort und Form, Inhalt und poetischer Einkleidung kundgibt, diesem
Höhepunct seiner Dichtung ist Bürger auch in andern Balladen nahe gekommen. Um nur eine einzige zu nennen, sein Lied vom braven Mann läßt sich der Leonore an die Seite stellen."
Der vollständige anonyme Beitrag
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1898
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Anzeige. In: Bregenzer Vorarlberger Tagblatt 29.10.
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1898
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Anzeige. In: Münchner neueste Nachrichten 28.03.
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1899
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Nordhausen, Richard . ARS AMANDI. Zehn Bücher der Liebe, von Hofmannswaldau bis Schiller Herausgegeben von Richard Nordhausen, Zeichnungen von Max Dasio.
“[Vorwort,S.11-12]
So schluchzenden Wohllaut, so süsse Fülle der Empfindungen, so wehmütige Schönheit findet sich nie in den Liedern eines gesunden und robusten Daseinskämpfers. Bürger verzehrte sich, wie das Licht sich verzehrt, aber
in dem nicht übermässig umfangreichen Gedichtbande, den er uns hinterliess, lodert unvergänglich die Pracht seines tiefen und edlen Gemütes. Unsrer Zeit ist sie nicht ganz offenkundig, doch kein Zweifel daran, der
Tag wird kommen, wo das deutsche Volk den nationalsten seiner Klassiker voll zu würdigen versteht. Schillers ungerechte und grausame Totschlagkritik in der Jenaer Litteraturzeitung von 1791, die dem Kranken weh
that, bis er die müden Augen schloss, wirkt leider noch heute nach.[ ..] So oder so - die wider Bürger verübte Kritik ist ein Flecken auf dem weissen Mantel Friedrich Schillers. Und sie vermögen der hohen Bedeutung
Bürgers nur in den Augen Urteilsloser zu schaden. Der die ´Elegie, als Molly sich losreissen wollte` schrieb und daneben jeden leichten, frohen Klang des Volksliedes wiedergeben konnte; der ´Des Pfarrers Tochter von
Taubenhain´ ersann, vielleicht die lieblichste und ergreifendste Wirklichkeitsdichtung unserer Literatur, der war ein Gewaltiger vor dem Herrn, den tötet keine Totschlagskritik.”
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1899
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Harnack, Otto. Zur Recension von Bürgers Gedichten. In: Euphorion. Wien und Leipzig. (Sammlung Helmut Scherer)
“[S. 539] In der Recension wird verlangt, daß die
Dichtkunst, die Sitten, den Charakter, die ganze Weisheit ihrer Zeit geläutert und veredelt in ihrem ´Spiegel´ sammeln und ´mit idealisierender Kunst aus dem Jahrhundert selbst ein Muster für das
Jahrhundert´erschaffe. [...] ´Kein noch so großes Talent kann dem einzelnen Kunstwerk verleihen, was dem Schöpfer desselben gebricht, und Mängel, die aus dieser Quelle entspringen, kann selbst die Feile nicht
wegnehmen´. Hier ist eine ganze Reihe von Einseitigkeiten und Schiefheiten aneinandergefügt. Statt von dem Kunstwerk wird nur vom Künstler geredet. statt von seiner künstlerischen Anlage, nur von seiner Ausbildung
und statt von seiner künstlerischen Ausbildung von seiner ´Läuterung´ zum ´vollendeten Geist´. Es wird zuerst das ganze Thema vom sachlichen Boden auf den persönlichen hinübergeführt; es wird die Person nicht nach
ihrem natürlichen Sein, sondern nur nach ihrem Wollen und Streben beurteilt; es wird endlich das Streben nach sittlicher Vollendung mit dem nach der ästhetischen vermengt. Man glaubt eher die Anforderungen an einen
Lehrer oder Prediger als die an einen Dichter zu hören. Der Kritiker scheint sich erst dort einer sachlicheren Behandlung zuzuwenden, wo er speciell die Aufgabe des Volksdichters erörtert. Aber auch dies ist nur
Schein. Denn wenn er auch zunächst betont, hier handle es sich um ´glückliche Wahl des Stoffes und höchste Simplicität in Behandlung desselben´, so treten doch sogleich wieder andere Forderungen hervor. ´Als der
aufgeklärte, verfeinerte Wortführer der Volksgefühle [...] und die Geheimnisse des Denkers in leicht zu entziffernder Bildersprache dem Kindersinn zu erraten geben´. Der Volksdichter wird also hier zu einer Art
Popularphilosophen, wie sie ja in dem Zeitalter eines Engel und Garve beliebt waren; aber wo bleibt dabei die lyrische Poesie? Es war eben Schiller damals die selbständige Bedeutung des
Ästhetischen noch nicht aufgegengen. Es war ihm der Wert des Naiven und Unbewußten noch nicht verständlich geworden. Es war ihm das Wesen objectiven künstlerischen Schaffens überhaupt, am meisten aber bei dem
lyrischen Dichter noch völlig verschlossen. Es fehlt ihm die Schule Kants, es fehlt die neidlose, verständnisvolle Bewunderung Goethes, es fehlt die tiefere Erkenntnis und Auffassung der Antike. Hätte er diese drei
großen inneren Erfahrungen schon besessen, so wäre sicherlich sein Urteil über Bürger milder ausgefallen. Wie ganz anders stellt sich Schiller vier Jahre später zu diesen Problemen! In den Briefen
über ästhetische Erziehung, in den Aufsätzen, ´Über das Naive und über die sentimentalischen Dichter!´oder noch später in den ´Gedanken über den Gebrauch des Gemeinen und Niedrigen in der Kunst´. Jetzt weiß er, daß
für den Künstler in erster Linie nicht eine durch abstrakte Begriffe zu bestimmende Beschaffenheit in Betracht kommt, sondern sein Verhältnis zur umgebenden Welt, seine Art, sie zu erfassen und ihr nachzubilden; er
weiß, daß die Kunst nicht nach einem abstrakten Idealbilde, sondern nach einer harmonischen Verschmelzung von Geist und Natur, nach ´lebender Gestalt´, nach der ´Consummation der Menschheit´ strebe, daß für den Wert
der küntlerischen und dichterischen Thätigkeit nichts anderes bestimmend ist als der Grad ihrer ästhetischen Vollkommenheit. Jetzt gab er zu, daß solche Vollkommenheit der Leistung auch schon der einfachen,
ungebrochenen, glücklich veranlagten Natur gelingen könne. Er sprach ausdrücklich aus, daß die ästhetisch vollkommene Behandlung den gemeinen Stoff veredeln könne. Gewiß wäre auch nach solchen
Gesichtspunkten an Bürger noch mancherlei zu tadeln gewesen, aber der Tadel hätte das Kränkende verloren und Bürgers Einrede, daß nach solchen Grundsätzen fast alle lyrischen Dichter verdammt werden müßten, wäre
nicht möglich gewesen. Schiller hat in jener Recension eben doch trotz aller ästhetischen Detailkritik Bürger nach moralischem Maßstabe beurteilt; den rein ästhetischen Maßstab lernte er erst später erkennen und
anwenden. “
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1899
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Rosenberger, Eugenie. Auf großer Fahrt. Berlin 1899 (hier Bremen 2009)
“[S. 153] Indem begann der Dampfer zu pfeifen und wirklich
drehte er, kam zurück, hatte den Fehler bemerkt und berichtigt und schrie es uns noch zum Ueberfluß zu - es war uns allen leid, daß er es sich so viel kosten ließ; er ist englisch, der St. Clears, nach Mexico
unterwegs. Ich habe mir eine Nachttasche aus Segeltuch gemacht und mit einem letzten Stückchen roten Inletts eingefaßt, wobei Jürgen nicht ermangelte, zu zitieren: ´Frau Magdalis weint auf ihr letztes
Stück Rot.´ “
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1899
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Busch, Moritz. Die Kriegswochen von 1866 in Leipzig. In: Tagebuchblätter Dritter Band. Denkwürdigkeiten aus den Jahren 1880-1893, Leipzig. Digitalisiert von Google
“[S. 508] Fünfte Woche.
Freitag, 13. Juli. Unsre Köchin ist wieder glücklich und versalzt uns nicht mehr die Suppe. Ihr Granatkanonierm mit König Johanns Macht gezogen in die böhmische Schlacht, hatte bisher nicht geschrieben, ob er
gesund geblieben. Heute früh Brief von ihm, etwas schmutzig zwar, wie alles aus Krieg und Lager, mit Bleistift, vielleicht auf einem Protzkasten, so unleserlich wie möglich zusammengekritzelt und sehr dürftig an
Detail, ´da wir hier nichts weiter schreiben dürfen,´aber doch Sonnenschein in ein verdüstertes Lenorengemüt; denn ´Dein innigst geliebder Wilhelm´war am 5. Juli noch ´gesunt und am Leben.´”
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1899
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Freytag, Gustav. Jahre der Vorbereitung. In: Erinnerungen aus meinem Leben, Leipzig.
“[S. 151] Schnell wurde das Stück abgeschrieben und nach Vorschrift ohne Namen des
Verfassers eingesandt mit dem Motto aus Bürgers Lenore: ´Weit ritt ich her von Böhmen, ich habe spat mich aufgemacht.´”
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1899
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Deutsche Schrift Von Professor G. Holle In: Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 28.09.1899
"[S. 5] Aber ich verlange noch mehr von einer d e u t s c h e n Schrift. Die Schrift hat keinen Wert für sich, sondern nur als Mittel, die Sprache darzustellen; und wir
können in unserem papiernen Zeitalter nicht oft genug wiederholen,daß die Sprache gesprochen und nicht geschrieben wird! Die Schrift ist nur das Kleid, das sich dem edlen Körper der Sprache anzuschmiegen hat und ihn
nicht verunstalten soll. Wir aber haben die Schrift überkommen von den Römern und Zeichen gedankenlos mit aufgenommen, die für unsere Sprache ohne Bedeutung sind (c, q, v, x, y), die also nicht in ein deutsches ABC
gehören; dagegen fehlen uns Zeichen für echt deutsche Laute, die wir unbehilflich durch zwei oder drei Zeichen von ganz anderem Lautwert darstellen (ch, ng, sch). Das Kleid ist also an der einen Stelle zu weit, an
der anderen zu eng, und allerlei unnütze Flicken von 'Dehnungsbuchstaben' sind auch noch daraufgesetzt! Erst eine l a u t t r e u e Schreibung ist deutsch, weil sie die deutsche Sprache nwirklich darstellt; sie
ist um so mehr deutsch, als auch unsere Vorfahren lauttreu schrieben, so gut sie es verstanden. Es ist nicht meine Meinung, daß eine solche lauttreue Schreibung auf einmal eingeführt werden soll; aber
es ist gut, wenn von berufenen Vertretern der Sprachkunde und Lautwissenschaft (Phonetik) das Ideal einer deutschen Schreibung aufgestellt wird, das den natürlichen Fluß der Entwickelung vor Abwegen bewahrt. Die
Fortbildung selber ist nicht Sache der Wissenschaft, aber auch nicht der Verwaltung, sie ist Sache des Volkes in seinen führenden Schriftstellern. Für diese Frage des praktischen Deutschtums sei mir deshalb erlaubt,
schließlich noch als Gewährsmann keinen anderen als unseren Gottfried August Bürger anzuführen, dessen Deutschgesinnung über allem Zweifel steht. Bürger schreibt in der Vorrede zu seinen Gedichten folgendes:
'Ich nehme Klopstocks Satz, der auch der Satz der gesunden Vernunft ist, an: Man schreibt nicht für das Auge, sondern für das Ohr, und muß daher nicht mehr schreiben, als man aussprechen hört.' Er empfiehlt
aber mit Klopstock Vorsicht: 'Man muß nicht alles auf einmal thun wollen, wenn es glücklich von statten gehen soll. Die Mißbräuche eines Tyrannen, wie der Sprachgebrauch (soll heißen 'Schrift'gebrauch) ist, lassen
sich nur nach und nach untergraben und auswurzeln. Sobald aber die gesunde Vernunft sie wirklich für Mißbräuche erkennt, so muß man es nicht immer gleichgiltig oder zaghaft bei dem alten bestehen lassen,sondern
anfangen, fortfahren und enden. Klopstock hat angefangen; manche wackeren Leute sind schon fortgefahren; ich habe das nämliche gethan und wünsche gedeihliche Nachfolge. Ich habe schon mehr ungehörte Buchstaben als
Klopstock und das undeutsche y mehrenteils verbannt.' Bürger begründet seine 'vereinfachte Rechtschreibung' im einzelnen und sagt unter anderem: 'Kommt mir nicht mit der Undeutlichkeit aufgezogen! Das ist die
albernste Ziererei, die ich kenne. Ein Deutscher versteht seine Sprache oder sollte sie doch verstehen. Alle Sprachen haben das an sich, daß man oft den Sinn nicht aus einzelnen Wörtern, sondern dem ganzen
Zusammenhang aufgreifen muß. Schreibt man ferner einem solchen Pfahlbürger Rat für Rath, so ist es lustig, seine Maulgrimassen zu sehen, wenn er behauptet, daß man das Wort ohne h nicht anders als Ratt aussprechen
könne. Dennoch schreibt der Geck selber, er trat, er bat, ohne h, und spricht nicht, er tratt, er batt aus. Schreibe ich ihm wiederum für matt mat, so grimassiert er von neuem und spricht maat aus, wiewohl er hat,
habet, ganz richtig auszusprechen weiß. — Lieben Brüder, wenn ihr eure Sprache liebt, so tretet dem Schlendrian auf den Kopf und richtet auch nach den Regeln der Vernunft und einfachen Schönheit, nach denen sich
schon größtenteils die Minnesinger richteten, ehe die nachfolgenden plumperen Jahrhunderte die Sprache mit so vielen unnötigen Buchstaben überluden.'
Ich vermeide es, diesen treffenden Worten noch weiteres hinzuzufügen."
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1900
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Carl Loewes Werke. Gesamtausgabe der Balladen, Legenden, Lieder und Gesänge. Band VII Die Polnischen Balladen. Leipzig. Digitalisiert von Google
“[S. XII] Die Entstehung der Komposition der ´Wallhaide´ hat Loewes Tochter Julie in einem überaus spannenden, bisher nicht veröffentlichten ´Lebensbilde´ ihres Vaters beschrieben.
Loewes Gattin hatte mir seiner Zeit die geschichtliche Richtigkeit dieser Beschreibung bestätigt.
Danach entstand die Ballade, als Loewe im Jahre 1817 mit seinem Freunde Dessmann eine Wanderung durch den Thüringer Wald machte. Die allenthalben sich dort zeigenden halbverfallenen
Burgen regten seine Phantasie mächtig an, und als die Jünger der Minerva sich abendlich verirrt hatten und in einem Pfarrhause Gastfreundschaft fanden, wurde Loewe von dem musikalischen Hausherrn aufgefordert, etwas
vorzutragen. Loewe griff zu Körners Gedichten, wählte sich die ´Wallhaide´, die so ganz seiner Stimmung entsprach, und improvisierte dieselbe. Im Jahre 1819 schrieb er die Ballade auf und arbeitete — nach einer
Notiz in seiner Selbstbiographie — 1824, da die Ballade dem tiefen Schmerz über den Tod seiner ersten geliebten Gattin Julie entsprechenden Ausdruck gab, sie noch einmal über. Für die
Kunstgeschichte ist ´Wallhaide´ von grosser Wichtigkeit; einerseits zeigen sich in ihr noch am deutlichsten die Spuren Zumsteegscher Anregung (man vergleiche die Ballade z. B. mit der ´Lenore´, ´Karl von
Eichenhorst´; wie lohnend nicht schon allein der Vergleich des ´Totenrittes´ in ersterer, des Entführungsrittes in letzterer Ballade des schätzbaren Vorgängers unseres Meisters mit dem Todesritt in der ´Wallhaide´),
andrerseits steht Loewe hier schon voll und ganz als selbstschöpferischer Meister da.“
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1900
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Uhl, Wilhelm. Der Göttinger Kreis. Der Berliner Kreis. In: Das deutsche Lied. Leipzig (Sammlung Helmut Scherer)
“[S. 93] Im Jahre 1771 jedoch war z. B. Herder noch so sehr entzückt von den Oden [Klopstocks], daß er beinahe seine Volkslieder samt dem ganzen Ossian darüber vergessen hätte! Zum Glück war aber der Ossian-Aufsatz, der 1773 erst gedruckt wurde (´Von deutscher Art und Kunst´), damals schon geschrieben. Denn diesem Aufsatze haben wir, wenn auch natürlich nur indirekt, die ´Lenore´ zu verdanken! Wie ist das gekommen?
Die Lenore nahm ihren Weg über ganz Europa von Göttingen aus.
[S. 95] Dem deutschen Volksliede sind die englischen Beziehungen der kleinen Musenstadt allerdings sehr günstig gewesen! Von Percys Sammlung hatte man dort die früheste Kunde! Ja, es erschien bereits im Jahre 1767 zu Göttingen eine Auswahl: ´Ancient and modern songs and ballads´. Als der zwanzigjährige Bürger zu Ostern 1768 die Universität Halle mit dem ´Athen an der Leine´ vertauschte (das letzte Wintersemester war er ´eingeheimst´ gewesen!), da fiel ihm sofort diese Chrestomathie in die Hände; sie wurde alsbald sein tägliches Brevier. Zur Nachahmung hat sie ihn allerdings damals noch nicht begeistert. Der Jüngling mußte erst etwas ausreifen. Auch mußte der Unterricht des berühmtesten aller Göttinger Professoren, des Hofrates Christian Gottlob Heyne, ihn erst auf andere Bahnen lenken.
[S. 98] Das Jahr 1773 brachte uns den Herderschen Ossian-Aufsatz und die Übersetzung des Woodschen Buches; es brachte uns auch die Bürgersche Lenore. Das ist kein Zufall. Die ´Naturlaute´ beweisen den Zusammenhang,
das ´Trap trap trap´ und ´Klinglingling!´, das: ´Hurre hurre!´ und das: ´Hop hop hop!´ Dergleichen war bis dahin in der deutschen Poesie denn doch ganz unerhört! Es hätte vielleicht Bürgern den Hals gebrochen, denn
gerade in Göttingen machte sich damals eine heftige Strömung gegen die Unarten der Stürmer und Dränger bemerkbar. Zum Glück wählte aber Bürger eine künstlerisch vollendete Form, über deren Herkunft wir noch reden
müssen. Auf dem kostbaren Gewande nahmen sich allerdings die schlechten Flicken doppelt seltsam aus. Man stutzte einen Augenblick: - dann aber schlug die Stimmung plötzlich um, und der junge Amtmann zu Gelliehausen
war der gefeierte Held des Tages. Welch eine Wandlung in zwei Jahren! Noch 1771 ist Bürger Anakreontiker. Sein ´Trinklied´ , elf Jahre später von Abraham Peter Schulz komponiert, zeigt allerdings schon den Einfluß der burlesken Romanze. Ihr macht der Dichter auch sonst Konzessionen, z. B. in der ´Prinzessin Europa´.
[S. 114] Den heutigen Sinn des Wortes ´Ballade´ schuf Bürger mit der Lenore, die 1773 entstand und im Göttinger Musenalmanach des nächsten Jahres ans Licht kam. Sie hat nicht
ihresgleichen unter allen Göttinge Gedichten. Das war begreiflich, denn Bürger stand ganz abseits vom Hain; ebenso wie die beiden Grafen Stolberg, deren Poesie der Bürgerschen, nach ihrem inneren Werte, noch
am nächsten kommt.
[S. 116] Diese jungenhaften Streiche [der Hainbündler] und die Misére der kleinen Stadt ekelten den 25jährigen Bürger in einer Weise an, die zu verstehen wir uns bemühen müssen, um sein
Wesen zu begreifen. Wie so viele tief angelegte Naturen hatte er eine Leidenschaft, die sein Leben verschlang; genau wie Johann Christian Günther, mit dessen Lebensgang Bürgers Schicksal eine große
Ähnlichkeit besitzt. Beide verwahrlost in trauriger Jugend durch die harte Erziehung (bei Günther war es der strenge Vater, bei Bürger der strenge Großvater mütterlicherseits, der den Jüngling verdarb); beide stets
scheiternd bei allem, was sie vornehmen; beide früh sterbend im Elend der Not und Entbehrung. Bürger scheint sich dieser Ähnlichkeit bewußt gewesen zu sein! Mit verzweifeltem Galgenhumor liest und benutzt er überall
den schlesischen Bruder in Apoll. Zwar der Stoff der Lenore stammt nicht von Günther. Wohl aber der Name der Heldin und die ungemein wirksame Strophenform. Beides ist
entnommen dem Abschiedsliede: ´An Leonoren´.
[S. 117] Das Hauptverdienst bleibt dem Dichter, der im voraus mit dem Gedichte gutmachte, was er drei Jahre später, wie wir sehen werden, durch
seinen ´Herzensausguß über Volks-Poesie´ und durch seine Theorie der ´Popularität´ verderben sollte. Bürger unterschätzte die Lenore. Für seine beste Ballade hielt er die 1776 entstandene, die den Titel führt: ´Lenardo und Blandine´.
Das deutsche Publikum wußte es besser. Es hat die Lenore nicht vergessen, obwohl sie nur gelesen, nicht gesungen wurde. Die Kompositionen des 32strophigen Gedichtes fanden keinen
Anklang. Dagegen sind z. B. die ´Weiber von Weinsberg´, mit ihren 13 Strophen in der Melodie Johann Andrés wohl heute noch bekannt. Was die Lenore so beliebt machte und von allen Lesern herausgefühlt wurde, das war das vom Dichter nicht ausgesprochene Motiv der Untreue der Braut.
In düsterer Ahnung sah Bürger am Vorabend seiner unglücklichen Ehe bereits das Verhängnis kommen. So setzte er sich und seiner jungen Schwägerin Molly in dieser Ballade ein Denkmal. Sie ist mit seinem Herzblute
geschrieben worden! Lenore hat ihren Bräutigam betrogen, wie Bürger seine Frau betrügen sollte. Wilhelm kommt jetzt, die Ungetreue zu strafen. So ahnte auch der Dichter schon sein grausames Schicksal, wenn er
mit den Worten schließt: Geduld! Geduld! Wenns Herz auch bricht! Mit Gott im Himmel hadre nicht! Des Leibes bist du ledig; Gott sey der Seele gnädig!
[S. 127] Das Nibelungenlied [Bodmer] hätte man jetzt folgerichtig als das eigentliche deutsche Volkslied bezeichnen müssen! Aber der Anstoß, der von England kam, zerstörte die tiefsinnigen, unfruchtbaren deutschen Theorieen. Die Praxis unseres Volksliedes ging fortan ihre eigenen Wege, der Sache zum Heil.
Einstweilen herrscht Bürger! Es gelingen ihm außer der Leonore noch viele andere Balladen; meist ebenfalls nach englischem Vorbild.
[S. 128] Dagegen weist die 82strophige Ballade ´Lenardo und Blandine´, die Bürger so sehr liebte, wohl auf eine romanische Quelle hin; wie schon die Namen andeuten. Es ist eine richtige Mordgeschichte zum Weinen, übrigens viel zu lang geraten. Sie steht im ´Deutschen Museum´
von 1776, und zwar im 5ten Stücke. Dies war das Maiheft. [...] Dasselbe Heft brachte auch alte deutsche Volkslieder, von Eschenburg mitgeteilt. Es brachte endlich auch Bürgers Aufsatz: ´Aus Daniel Wunderlichs Buch´. Dort stand als Kapitel II der ´Herzensausguß über Volks-Poesie´.
[S. 130] Und dann kommt die Stelle, an welcher Nicolai Anstoß nahm: ´Unter unsern Bauren, Hirten, Jägern [...] und Tyrolerinnen, kursiret wirklich eine erstaunliche Menge von Liedern, worunter nicht
leicht eins seyn wird, woraus der Dichter fürs Volk nicht wenigstens etwas lernen könnte.´ Bürger macht hier eine sehr treffende Bemerkung. Das deutsche Volkslied ist ein Gesellschaftslied. Es
erreicht seine höchste Blüte stets da, wo es von einer Gemeinschaft gepflegt wird, welche diesselben Interessen verfolgt! Aber den klugen Herren in Berlin paßte es gar nicht, daß man ihnen zumutete, bei
Bergleuten und Handwerksburschen in die Lehre zu gehen.
[S. 140] Die Wirkung [Nicolais Ein kleiner feiner Almanach] ist eine heilsame gewesen: - das Interesse für die deutsche Volkspoesie wuchs nun unaufhaltsam immerfort. So schlug Nicolais Spott zum Segen aus, und Bürger,
der sich am schwersten getroffen fühlte, hat vergebens gegrollt. Er sann auf Rache. Ein großes deutsches Volksgedicht, das er plante (es kam nie zustande!), sollte seine Theorie glänzend rechtfertigen. Einstweilen
zog er als Bänkelsänger gegen den Almanach los in der ´Prinzessin Europa´: Heda! Hier wird nichts gegeckt, Ihr ungewaschnen Buben!
Narrirt in andern Stuben, Nur mich laßt ungeneckt! Sonst hängt euch, schnaps! am Munde Ein Schloß; wiegt tausend Pfunde.”
Der vollständige Beitrag in der ONLINE-BIBLIOTHEK
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1900
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Koenig, Robert. Gottfried August Bürger. In: Deutsche Litteraturgeschichte. Erster Band, Bielefeld und Leipzig. (Sammlung Helmut Scherer)
“[S. 386] Bürgers Dichtungen wurden wesentlich durch sein Leben beeinflußt. Der Mangel an sittlicher Haltung und Würde in seinem Charakter hinderte ihn, ein echter Volksdichter zu
werden, zu dem er sonst ganz und gar das Zeug hatte.Denn seine ´Lenore´ (1773 gedichtet, 1774 gedruckt) begeisterte nicht nur den Hainbund, der sich sonst etwas ablehnend gegen ihn verhielt, zu fast unbeschränktem
Lobe und feuerte seine Mitglieder zur Nachahmung an, sondern ganz Deutschland stimmte in diese Begeisterung lebhaft ein. Nach so vieler gemachter Poesie spürte man hier wieder den Pulsschlag wahren, warmen Lebens.
Ihrem Stoffe nach aus dem Volke stammend, in knapper, alle umständliche Ausmalung und Motivierung vermeidender Weise erzählend, dazu an den noch im frischen Volksbewußtsein lebendemn siebenjährigen Krieg anknüpfend,
wurde die ´Lenore´sofort volkstümlich im besten und vollsten Sinne. Mit einem Schlag begründete sie Bürgers Dichterruhm und wird ihn erhalten, wenn auch seine ganze übrige Poesie einst vergessen werden sollte. Und
der größte Teil davon ist jetzt bereits - und mit Recht - vergessen. Was Goethe von Günther einst sagte, findet auch auf Bürger volle Anwendung: ´Er wußte sich nicht zu zähmen, darum zerrann ihm sein Leben wie sein
Dichten.´ Und noch treffender drückt es Goedeke aus: ´Sein Leben selbst war ohne reine Poesie, und seine Gedichte, auch die Balladen, sind innerlich nicht geläutert.´ Im großen und ganzen hat sich durch die neuere
Kritik Schillers Recension bestätigt und bewahrheitet; [...]. In vielen seiner Balladen macht er sich - man könnte sagen - mit dem Volke gemein, so in der widerlichen ´Frau Schnips´, in des ´Pfarrers Tochter von
Taubenhain´ - selbst der ´wilde Jäger´ist etwas stark lärmend und polternd. In anderen ist er übertrieben gespannt und gedehnt, oft zu pathetisch und deklamatorisch; selbst das auf einem thatsächlichen Vorgange
beruhende ´Lied vom braven Mann´ ist nicht ganz frei davon, obgleich es sonst mit zu den besten Balladen Bürgers gehört. Dagegen wird man seinen prächtigen ´Kaiser und Abt´ ungetrübt genießen, auch sein ´Lied von
Treue´. Seine Lyrik ist meist ein getreuer Abdruck seines Lebens, so insbesondere seine Lieder an Molly, in denen seine ganze unglückliche Leidenschaft zum unerquicklichen Ausbruch kam. [...]
Unter seinen Liedern findet sich übrigens auch dieses oder jenes, das dem Tone echter Volkspoesie sich nähert, wie das ´Feldjägerlied´(´Mit Hörnerschall und Lustgesang´), das ´Dörfchen´(´Ich
rühme mir mein Dörfchen hier´); auch seine lustige Plauderei mit dem ´Monde´ (´Ein schönen guten Abend dort am Himmel´), die sich vorteilhaft von den zahlreichen schmachtenden Mondscheinliedern jener Zeit
unterscheidet. “
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1900
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Steiner, Rudolf. Ein Denkmal für Gottfried August Bürger. In: Gesammelte Aufsätze zur Literatur 1884-1902. 1971. Erstmals in Magazin für Litteratur, 69. Jahrg. 1900.
“[S. 501] Ein Denkmal für Gottfried August Bürger
Bewohner von Molmerswende, dem abseits der großen Landstrasse im Harz gelegenen Geburtsdorf des Dichters Gottfried August
Bürger haben schon seit Jahren an der Verwirklichung des Planes gearbeitet, ihrem berühmten Landsmanne ein wenn auch nur bescheidenes Denkmal zu setzen. Aber ohne Verbindungen mit der literarischen Welt, nur auf
ihre eigene Kraft angewiesen, konnten sie sich der Erfüllung ihres berechtigten Wunsches nicht erfreuen. Deshalb haben unter dem Protektorate Sr. Exzellenz des Herrn Grafen von der Asseburg die Mitglieder der
Literarischen Gesellschaft zu Sangerhausen die Aufgabe übernommen, weitere Kreise für die Idee zu interessieren, und vom Minister des Innern die Genehmigung erwirkt, zur Einsendung von Beiträgen für den erwähnten
Zweck Aufrufe zu erlassen und die eingehenden Spenden entgegenzunehmen. Gerade jetzt, da hundertfünfzig Jahre seit der Geburt Bürgers verflossen sind, scheint der Zeitpunkt gekommen, alle Verehrer des Vaters der
deutschen Ballade, des Gründers einer neuen deutschen Lyrik, um ein Scherflein zu bitten für einen einfachen Denkstein. Wenn auch als Mensch nicht ohne Fehler, so hat es doch Bürger als Poet, dem wir « Lenore» und
«Das Lied vom braven Mann» verdanken, gewiß verdient, daß seine Geburtsstätte nicht ganz ohne ein Zeichen Dankes und der Erinnerung bleibe, und die wackeren Bewohner des kleinen Harzortes, die ihrer Heimat
reichbegabten Sohn ehren wollen, dürfen wohl darauf rechnen, daß ihnen die Unterstützung der Berufenen nicht fehle.”
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1900
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Wurzbach, Wolfgang von. G. A. Bürger.
"[S.332] Bürger stand als Dichter im Jahre 1789 auf dem Gipfel seines Ruhmes und Schiller hat sich durch diese Kritik gewisss sehr wenige Freunde erworben. Interessant
ist die Rezension trotz ihrer Gehässigkeit, die durch einiges Lob am Schlusse nicht aufgewogen wird, weil in ihr die Verschiedenheit der Auffassungen zweier bedeutender Genies von der Poesie und ihren Aufgaben klar
zu Tage treten. Während Bürgers Muse an den urwüchsigen Produkten der Volksdichtung herangereift war, hatte sich Schillers abgeklärtes Talent an den Klassikern gebildet, zu welchen Bürger ohne solchen Erfolg in
die Schule gegangen war. Während dieser nur danach strebte, wiederzugeben, was natürlich, suchte Schiller sich selbst und den Leser in höhere Regionen fortzuziehen; wollte Bürger, dass seine Gedichte wahr seien, so hatte es Schiller besonders auf die Schönheit abgesehen; sah Bürger die erste Aufgabe des Dichters in der klaren Beobachtung der Natur, so verlangte Schiller von ihm die Läuterung seiner eigenen Individualität, kurz die Polemik der beiden grössten Balladendichter der deutschen Nation zeigt uns den Kampf zwischen Realismus und Idealismus in der Poesie, der in späterer Zeit noch zu verschiedenen Malen ausgefochten werden sollte. Damals behielt der eben neu erstarkte Idealismus die Oberhand.[...]
[S.370] Länger als unzählige weniger bedeutende Männer musste Bürger der gerechten Ehrung durch ein seiner würdiges Denkmal entbehren. Die hierin liegende Ungerechtigkeit, deren sich
Deutschland einem seiner grössten Dichter gegenüber schuldig machte, ist oft genug gerügt worden. Schopenhauer, der Bürger über Schiller stellte, schrieb einst: ´Sie setzen Leuten Monumente, aus denen einst die
Nachwelt gar nicht wissen wird, was sie machen soll, - aber Bürgern setzen sie keines!´ Andererseits fehlte es jedoch auch nicht an Leuten, die wie Herder meinten: ´Bürgers Leben ist in seinen Gedichten; diese
blühen als Blumen an seinem Grabe; weiter bedarf es, dem in seinem Leben Brot versagt ward, keines steinernen Denkmals.´ Erst gelegentlich der 100. Wiederkehr seines Todestages wurde Bürgers Grab mit einem den
künstlerischen Begriffen unserer Zeit entsprechenden Denkmale geziert."
Wurzbachs G. A. Bürger in der ONLINE-Bibliothek.
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1900
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Crönert, Wilhelm. Rudolf Haym. In: Allgemeine Zeitung, Beilage vom 17.10.
“Als wenn bei uns Balladen nur im
Schiller'schen Pathos - d. h. natürlich, so gut dies den Nachahmern eben möglich wäre - oder nur hurre hurre hopp hopp hopp! wie die Lenore, Trinklieder á la Häfis-Bodenstaedr und so weiter jede andere Gattung nur
in einer bestimmt ausgeprägten Weise gedichtet werden dürften.”
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1900
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Minckwitz, M. J. Mihail Eminescu. In: Allgemeine Zeitung, Beilage vom 07.06.
“Auch als Epiker verdient er
vollste Bewunderung, denn mit abendländischer Bildung vermählt er den Märchenzauber des Orients, läßt er in Calin ein orientalisches Dornenröschen aus dem Schlummer erwachen zu Wonne und Leid der Gegenwart, bietet
er in den ´Gespenstern´ ein farbenglühendes Seitenstück zu Bürgers ´Leonore´, verwebt er in ´Luceafer´ die Volksage von dem Stern, der zu der verliebten Prinzessin herabsteigt, bis ihr Wankelmuth seine stolze
Unnahbarkeit zur Folge hat, mit Geist vom seinem Geiste.”
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1900
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Anzeige. In: Hamburger Fremdenblatt 8.9.
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1900
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Anzeige. In: Berliner Börsen-Zeitung 8.12.
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1900
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Anzeige. In: Vorwärts 21.1.
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1901
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Karpeles, Gustav. Der Göttinger Hainbund. In: Allgemeine Geschichte der Litteratur von ihren Anfängen bis auf die Gegenwart. Zweiter Band. Berlin
“[S. 536] Unter dem Druck der Verhältnisse ist Bürger immer in sich unfertig geblieben, aber er war eine echte Dichternatur. Herders Idee vom Volksliede nahm er mit Begeisterung auf,
die englischen Balladen, die Percy gesammelt hatte, las er mit Entzücken, und auch von der Poesie des Mittelalters ließ er sich beeinflussen. So hat er das Gebiet der deutschen Ballade in naturwahrem und
volkstümlichem Sinne erneuert. Die drei Dichtungen ´Lenore´ , ´Der wilde Jäger´, ´Des Pfarrers Tochter von Taubenhain´ gehören zu den wertvollsten Schätzen unsrer Balladenpoesie. Bürger behandelte mit Vorliebe
düstere Stoffe nach dem Muster des englischen Volksliedes. Auch sein Meisterwerk ´Lenore´ ist durch das Hineinragen des Nächtigen und Gespenstigen in die Gemütswelt besonders charakteristisch. Ihre Popularität
verdankt aber die Ballade vorzüglich ihrer musikalischen Form. Es ist rührend zu lesen, wie fast alle Mitglieder des Hainbundes dem Dichter dabei mit Rat und Hilfe zur Seite stehen und wie er doch fast
ausschließlich allein das Richtige trifft. Auch die Naturlaute, die er darin erfunden, haben in ihrer Klangfarbe etwas von einer gespenstig unheimlichen Jagd an sich. Leidenschaftlich bewegt, wild und stürmisch,
aber auch gemütsvoll und innig, ist dies Gedicht ein Kunstwerk in der balladischen Gliederung, der Individualisierung, in dem mächtigen Schwung poetischer Gestaltung, in der sichern Beherrschung aller Mittel für die
Kunstwirkung. [...] Die Kunstwerke, die er sonst geschaffen, sind nicht durchweg in den ersten Rang zu setzen. Bürger suchte, was ihm an innerer Wärme und poetischer Kraft fehlte, durch Beherrschung
der Form zu ersetzen. Er ist auch oft platt und roh in dem Streben nach allgemeiner Verständlichkeit. Aber man muß bedenken, daß er zu einer Zeit, wo Goethe und Schiller unsere poetische Sprache noch nicht gehoben
hatten, seine Stimme erschallen ließ. In seinen Liebesliedern hat Bürger Töne angeschlagen, die später in der Poesie Goethes und der folgenden Generation wiederklangen. Hier gelingt ihm oft ein warmer, inniger,
reiner Ton, wie z. B. in dem folgenden, die Manier des Volksliedes glücklich treffenden Liede ´Liebeszauber´: [...]. “
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1901
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Benzmann, Hans. Bürger´s Bedeutung für die klassische und moderne Ballade. In: Neue Bahnen.
“[S. 673] Bürger, Goethe und Droste offenbaren in ihren Balladen in ganz merkwürdiger Weise eine nahe geistige Verwandtschaft. Sie schöpfen aus den vollen -- echtesten -- Quellen der
Poesie, aus der mystischen Tiefe der deutschen Volkssage. Alle drei waren vermöge genialer Veranlagung dazu aber auch prädestinirt. Sie empfingen nicht nur vom Mythus, von der Sage, sie schufen auch Dichtungen, die
in ihrer knappen, charakteristischen Darstellung der Volksballade sehr ähnlich wurden, die dem Volksempfinden in jeder Beziehung entsprechen. Man denke nur an Bürger´s “Lenore”, “Der wilde Jäger”, an Goethe´s
“Erlkönig”, “Der König von Thule”, “Der getreue Eckart”, “Die wandelnde Glocke”:”
Benzmanns Aufsatz in der ONLINE-BIBLIOTHEK
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1901
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Ebner-Eschenbach, Marie von. Bertram Vogelweid. In: Erzählungen. Vierter Band. Berlin.
“[S. 131] ´Muth, Baronin! Nehmen Sie sich zusammen. Sie dürfen jetzt nicht ohnmächtig werden. Erstens ist es nicht mehr modern, und zweitens müssen auch Sie jetzt handeln.´ Er erhob die
Arme, seine Hände ballten, seine Brust erweiterte sich: ´Knapp´, sattle mir mein Dänenroß. Geben Sie Befehl, Frau Baronin, daß die Kuh vorgeführt werde. Ich will Ihr Ritter sein, ich fühle das ganze Mittelalter in
meiner Faust.“
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1901
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Rezension. In: Allgemeine Zeitung, Beilage vom 29.11.
“[S. 6] Bisweilen stören die langen, hochtragenden
Dialoge oder unnöthige Reminiscenzen im Ausdruck, z. B. ´da bleibt kein Auge thränenleer´, oder: es war ein wildes Reiten, ´daß Kies und Funken stoben und Roß und Reiter schnoben´.”
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1901
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Neueste Nachrichten 12.5.1901
"Rund um den Kreuzthurm. Ob dieser Antwort des Candidaten Jabses erfolgte im Publikum allgemeines Schütteln des Kopfes. Die meisten Leute haben sieh nun mit dem
Scheffelschen Wort: 'Es wär' so schön gewesen, es hat nicht sollen sein' bis auf Weiteres getröstet, den 'Raisonneuren' aber sei zugerufen: 'Geduld, Geduld, wenn's Herz auch bricht,
Mit 'Schwebebahnen' hadre nicht!"
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1901
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Anzeige. In: Hamburger Echo 21.2.
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1902
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Holz, Arno. Die Blechschmiede, Leipzig 1902
“[S. 62] Der Herr Mitte dreißig:
Sophokles, Shakespeare und Li-tai-pe
galoppieren zu dritt auf einem Bidet.
Hafis, noch immer der alte Zecher, reitet auf einem Champagnerbrecher.
Über ein Flügelschwein baumeln sechs Beine: Boccaccio, Voltaire und Heinrich Heine.
Gottsched, vor dem ich mich übrigens bücke, kommt ankutschiert in seiner Perrücke.
Goethe, verfolgt von einem Geist - der totgenörgelte Heinrich von Kleist.
Hinter ihm Schiller, der edle Würger, die Faust um die Gurgel von August Bürger.
Gluck mit gänzlich kahlem Kopf klammert sich um seinen Zopf.
Paderewski mit fliegender Polkatolle
balanciert auf einer Notenrolle.
Auf einem Riesenpinsel Goya, aus seinem Hirn der Brand von Troja.
Auf einem sich bäumenden Leoparden Lassalle mit Maximilian Harden.
Rechts, auf einem schwarzen Schwan, Timur der Mongolenchan.
Links auf einem weißen Lama Vasco de Gama.
Auf einem feurigen Rappen blendend ein Weib! keinen schändenden Lappen
um ihren Leib!
Semiramis probirt ihre Knute auf das Hintergestell ihrer Drachenstute!”
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1902
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Norddeutsche allgemeine Zeitung 26.1.1902
"Joh. Rud. Zumsteeg [...] Darf man F. J. Fétis Glauben schenken, so fand man seine Balladen, die ihm bald eine gewisse Berühmtheit verschafften, erst nach seinem Tode. Und bis
in die vierziger Jahre hinein wurden 'Leonore fuhr ums Morgenroth', 'Knapp', sattle mir mein Dänenroß", 'Des Pfarrers Tochter von Taubenhain', auch der 'Ritter Toggenburg' und der 'Zauberlehrling" usw.
überall gesungen. Einzelne sind strophisch gesetzt, musikalisch gut deklamirt und mit musikalischer Uebereinstimmung im Ausdrucke der Dichtung. Andere sind durchkomponirt und führen uns die Handlung im Klaviersatze
vor."
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1902
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Kölnische Zeitung 02.02.
“Dr. Endemann(nl.) tritt für die Forderung des Abiturientenexamens für die Studenten der Tierarzneischulen ein. Die innere Berechtigung liegt in den Fortschritten der
Tierarzneiwissenschaft, besonders im Hinblick auf Aussprüche Virchows. Auch bedarf der Stand der Tierärzte in Preußen dringend der standesgemäßen Stellung nach dem Vorbild auswärtiger Staaten. Eine entsprechende
Resolution ist schon längst im Reichstag angenommen worden. In Preußen findet sich aber noch viel Widerstand gegen die Forderung, dagegen geht Batern in dem Verlangen eines Maturitätszeugnisses voran, besonders
Prinz Ludwig von Baiern. Ich bitte den Minister, schnell in der Sache zu verfahren und sich des Liedes zu erinnern (Heiterkeit):'Knapp', sattle mir mein Dänenroß'.(Heiterkeit.)"
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1903
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Dühring, Karl Eugen. Die unterschätzte Grösse Bürgers und dessen Annäherung an eine Wirklichkeitsdichtung. In: Die Grössen der modernen
Literatur populär und kritisch nach neuen Gesichtspunkten dargestellt.
“[S.217] Nach unserm Urtheil ist Bürger der wahrste und bedeutendste Liebeslyriker, den die Deutschen, ja den vielleicht überhaupt das 18. und 19. Jahrhundert zusammengenommen
aufzuweisen haben. Die gleiche Kraft und der gleiche Wirklichkeitssinn, gepaart mit der gleichen Rechtschaffenheit und Gerechtigkeit, sind in diesem Gebiet, soweit mir bekannt, in der ganzen Geschichte und Welt von
Niemand sonst vertreten. Dies will aber Etwas sagen und gleicht die verhältnismässige Einschränkung des Feldes aus, in welchem sich das Gebiet Bürgerscher Dichtung bewegt hat. Die sonstigen Literaturgrössen haben
irgend etwas von herkömmlich universeller Richtung; sie ergingen sich in mehrlei Gebieten, die eigentlichen Dichter beispielsweise seit dem 18. Jahrhundert neben dem Lyrischen, was ihnen stand, auch im Dramatischen,
was ihnen theils nicht, theils nicht sonderlich stand. Bürger hat dagegen die ganze Kraft seines Geistes auf das Lyrische concentrirt und hiemit das getroffen, was der deutschen Stammeslage am Meisten gemäss
gewesen. Diese Einschränkung sieht nun für den oberflächlichen Betrachter wie eine Beengtheit aus, ja erscheint sogar als ein Mangel, wird aber für den überlegenen zu etwas Natürlichem, ja zu einem Vorzug.
[S.219] Bedenkt man die Höhe, zu welcher der Goethesche und der Schillersche Ruhm schon zur Zeit Bürgers und neben dessen Ruf gewachsen waren, so fragt man sich unwillkürlich, warum
Bürger trotz der Anerkennung, die er im Publicum fand, schon damals hat zurückstehen müssen. Es liegt äußerst nahe, im Allgemeinen hiefür die Verschiedenheit der gesellschaftlichen Stellung in Anschlag zu bringen.
Goethe war ein dienstbarer Geist für vornehm seinwollendes Publicum. Er war ein fürstlicher Bediensteter und affectirte sogar Vornehmheit über seinen angeborenen Stand hinaus. Eine Ministerstellung, wenn auch eine
kleinstaatliche, ist nun aber für die höhere und niedere Menge schon allein ein Gestell, welches socialen Einfluss giebt und das natürliche Ansehen eines Dichters künstlich steigert. Die tonangebenden Classen sind
wahrlich nichts Gleichgültiges in der Rufmachung, und vor allen Dingen wird Der, welcher ihrer Art und Weise huldigt, also ihr Uebles wie ihr Gutes schön macht, auf ihren Beifall und ihre Propaganda zählen können.
Dies war nun mit Goethe der Fall, den seine Schmeichler komischerweise den olympischen titulirt haben, während er doch von einer Zeusnatur wohl Nichts, umsomehr aber von einer Minister- und Dienernatur an sich
hatte. Das gerade Gegentheil war nun Bürger. In jeder Stellung blieb er selbständig, als Amtmann, wie er ausserfacultätlicher, also sozusagen unzünftiger Professor. Seine Gefühls- und Denkweise entsprach, soweit sie
überhaupt als gesellschaftlich gemeinsam und nicht als Original aufzufassen ist, derjenigen des bessern Mittelstandes. Er war in einem gewissen höheren Sinn Volksdichter; aber das Volk, für dessen Geschmack seine
Gedichte dawaren, soweit es auch von der gemeinen Masse abstach, hatte und hat auch bis heut nicht den Einfluss, um seinen Dichter gehörig hoch zu halten. Es kann bei den herrschenden Gesellschaftszuständen den Ton
nicht angeben, und noch viel weniger vermag es den Grössen, die in einer obern Region gestempelt sind, die unberechtigten falschen Züge wirksam zu bestreiten.
[S.221] Was man Bürger am ehesten zugestanden hat, den Ruhm also von Gedichten wie die Lenore eines ist, ja überhaupt den Ruhm von der ganzen Balladenvirtuosität und von entsprechender
Sagenbehandlung, - den können wir am wenigsten als das Höchste und Werthvollste anerkennen. [...] Erzeugnisse, die einer solchen gemeinen Zustimmung theilhaft werden können, gehören niemals zu den Leistungen ersten
Ranges. Der Beifall selbst, der ihnen gespendet wird, zeugt gegen sie, wenigstens in den Augen des höheren Betrachters, der aus Art und Bereich der Beistimmung auf die gepriesene Sache zurückzuschliessen vermag. Das
Unrecht gegenüber Bürger liegt in diesem Falle nicht darin, dass man in gewissen Gedichten von ihm die hohe dichterische Begabung, die sich darin zeigte, herausfühlte und anerkannte, sondern darin, dass man seine
Gedichte von grösserem Werth und von mehr unmittelbarer Lebenswirklichkeit zur Seite lies.
[S.222] Im Bereich der Liebe hat er nicht blos gefühlt, sondern zu denken wenigstens versucht, und dies hat seiner Lyrik ausser der ihm eigenthümlichen Tonart etwas Auszeichnendes
beigegeben, was man sonst selten trifft. Aus diesem Grunde ist in seinen Liebesliedern weniger Illusion und mehr Wirklichkeitssinn, als sonst dieser Gattung dichterischer Bethätigung eigen zu sein pflegt. Richten
wir unsere Aufmerksamkeit auf das Gedichtchen mit der Ueberschrift “Schön Suschen”, so haben wir daran vielleicht das sprechendste Beispiel von dem fraglichen Sachverhalt. Hier sind die Stufen gekennzeichnet, auf
denen der Liebesaffect zu einer Höhe hinauf- und von seiner Höhe hinabsteigt und dann gleichsam in der Ebene bei einem ruhigeren Stande anlangt.
[S.235] Die Liebe zu ihr [Molly] ist zugleich Liebe zu einer bestimmten Charaktergestalt. Ihr Auge spricht das “Vertraute” aus, wie Bürger selbst es ausdrückt, und schon im beigelegten
Namen hat er offenbar die sanfte Weichheit des ganzen Wesens andeuten wollen. Dabei ist Herzensgüte der tiefere Grundzug, der sich im Tone für den hiefür Empfänglichen unverkennbar macht, ja selber einen
eigenthümlichen Reiz, um nicht zu sagen ein Element des Geschlechtsreizes bildet. Es ist also die Güte, die selber Gegenstand der Liebe und, nicht zu vergessen, der eigentlichen Geschlechtsliebe wird. Das ist
eine Ausnahme, ja etwas Einziges in der Poesie; sonst überall bei den grossen Erscheinungen sind die dargestellten Geschlechtsreize, so hoher Art sie sein mögen, wohl auf Schönheit und manche Gemüthseigenschaften
bezogen, streifen aber kaum, was wir hier meinen, geschweige dass sie hierin ihren Schwerpunkt fänden. Bei Bürger, dem reindeutschen Dichter, dem Freund der himmelblauen Augen und blonden Haare bei beiden
Geschlechtern, ist das Gegentheil der Fall. Er hat ein unwillkürliches, wenn auch nicht deutlich bewußtes Gefühl dafür, dass es sich grade in der eigentlichen Geschlechtsliebe, und zwar in derjenigen von dem bis
jetzt am höchsten veredelten Typus, um naturentstammte moralische Charaktereigenschaften handle. Nicht das, was man gemeinhin moralisch nennt, sondern das, was ihm unvergleichlich überlegen ist, die natürliche
Anlage zum Guten, das angestammte Wohlwollen, der gute Wille, das gute Herz, die Güte gegen das Gute, odere wie man sonst eine haltbare, nicht von Unverstand getrübte, sondern auch dem Schlechten gewachsene, also
nicht zur Beute werdende edle Herzensbeschaffenheit nennen möge, - dieses schwer bestimmbare und mit den Worten nur unzulänglich abzugrenzende Etwas ist in der Bürgerschen Poesie in der That und mit Recht ein
Hauptelement des Geschlechtsreizes.
Dührings “unterschätzte Grösse Bürgers” in der ONLINE-Bibliothek.
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1903
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Mager, Adolf. Der Göttinger Dichterbund. In: Grundzüge der deutschen Literaturgeschichte. Für höhere Lehranstalten und zum Selbststudium. Wien
“[S. 74] Gottfried August Bürger, geb. 1748 zu Molmerswende bei Halberstadt, studierte zuerst in Halle Theologie, dann in Göttingen Jurispudenz. Sein Freund Boie verschaffte ihm die
Stelle eines Amtmannes in Altengleichen, die er durch zwölf Jahre bekleidete. Hierauf hielt er in Göttingen philosophische Vorlesungen und bekam nach einiger Zeit daselbst eine unbesoldete Professur. Die letzten
Jahre seines Lebens waren von schwerer Sorge, oft durch eigene Schuld, heimgesucht. Krank, arm, gebrochen an Leib und Seele, nach der abfälligen Kritik seiner Gedichte durch Schiller auch an seinem Dichterberufe
verzweifelnd, wurde der Unglückliche 1794 von dem Tode erlöst. Bürger war ein Meister auf dem Gebiet der Ballade und Sonette. Angeregt durch Herders Abhandlung über Ossian und die ´Lieder alter
Völker´, schuf er Balladen, die sich durch echt volkstümlichen Ton, Wohllaut der Sprache und fließende Verse auszeichnen, so: ´Der wilde Jäger´, ´Der Kaiser und der Abt´, ´Das Lied vom braven Mann´. Namentlich die
gewaltige Ballade ´Lenore´ entzückte ganz Deutschland und begeisterte Gebildete und Ungebildete für den Dichter. - Von seinen mustergültigen Sonetten sind besonders hervorragend: ´Liebe ohne Heimat´, ´An das Herz´.
Schiller, welcher von einem so hochbegabten Dichter Vollendetes verlangte, wies in seiner Kritik mit Recht auf viele Fehler (Mangel an Idealität) in den Gedichten hin. “
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1903
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Pariser Chronik. In: Allgemeine Zeitung, 13.10.
“[S. 2] ´Die Toten reiten schnell´, singt zwar der Dichter,
aber die Zeit ist noch schneller als sie, überholt sie bald, und schnell sind sie vergessen. Nirgends beobachtet man diese schmerzliche Wahrheit häufiger und deutlicher, als in der Weltstadt und vor allem in Paris,
[...].”
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1903
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Kölnische Zeitung 30.4.1903
"Düsseldorf. Die letzte Tat der Direktion Gottinger vor ihrem Abschied von Düsseldorf bildete eine Neuheit: die Oper Lenore, Text nach Bürgers Ballade und Holteis Drama von
Wilhelm Maase, Musik von Georg Kramm. Das Werk errang eine ungewöhnlich freundliche Aufnahme, was ja zum Teil auf die Rechnung der großen Beliebtheit zu setzen ist, deren sich die beiden in Düsseldorf ansässigen
Verfasser erfreuen. Kramm hat sich in dem Werk als angenehmer, treffend charakterisierender, das Instrumentationsrüstzeug wie die thematische Mache geschickt handhabender Tonsetzer bekundet. Auch läßt die Art, wie
er die Singstimmen als die Hauptsache hervortreten läßt und ihnen das Orchester als 'Gedankenleser' beigesellt, viel richtigen Theaterinstinkt erkennen. Die Erfindung müßte im allgemeinen nur noch prägnanter und
kerniger werden. Nicht mit gleichem Lobe kann das Textbuch bedacht werden, das an Weitschweifigkeiten leidet und namentlich in der Schaffung der Situationen und im Szenenbau noch den geschärften Theaterblick
vermissen läßt. Das Beste daran ist schlichte Sprache und warme Empfindung, die namentlich dem der Liebe Wilhelms und Lenorens gewidmeten zweiten Akt zu großem Eindruck verhalfen. Hier war es auch, wo der Beifall
seinen Höhepunkt erreichte. Die Aufführung unter Kapellmeister Fröhlich mit dem Herrn Kaufung, den Damen Pracher und v. Hübbenet in den Hauptrollen nahm einen sehr zufriedenstellenden Verlauf."
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1903
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Berliner Börsen-Zeitung, Morgen-Ausgabe 21.7.1903
Abermals hat, wie es scheint, ein Capitel in dem ereignißreichen Leben der ehemaligen Gräfin Rusell seinen Abschluß gefunden. Die liebenden Ehegatten, die Ex-Gräüfin und der
Ex-Lakai Brown, 'des langen Haders müde, erweichten ihren harten Sinn und machten endlich Friede'. Das ist, in kurzer Worten ausgedrückt, der Inhalt der Publication, welche Mr. Brown mit Erlaubniß und unter
Zustimmung seiner Gattin der Londoner Presse übergeben hat.
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1903
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Karlsruher Zeitung 24.3.1903
"Die Ausgleichsdebatten im österreichischen Abgeordnetenhause sind verhältnismäßig ruhiger verlaufen, als erwartet werden durfte. Was seit sechs Jahren von vier Regierungen
vergeblich angestrebt wurde, und was noch vor wenigen Wochen in hohem Grade zweifelhaft war, das scheint nun doch Tatsache werden zu sollen: die parlamentarische Erledigung des ungarischen Ausgleichs. In der
Neujahrsnacht wurde die erste Etappe erreicht. 'Die beiden Ministerpräsidenten — ganz wie in der Ballade - 'des langen Haders müde, erweichten ihren harten Sinn und machten endlich Friede'."
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1903
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Berliner Tageblatt und Handels-Zeitung, Morgen-Ausgabe 04.04.
"Dennoch beharrte ich heldenmütig auf meinem Entschluß — auf die Gefahr hin, nicht nur das 'Gericht Gottes' auf mich selbst herabzuziehen, sondern auch zum Erscheinen des
Gottseibeiuns mit der Kriegsfackel das Meinige beigetragen zu haben. Ich sattelte also mein Dänenroß, das heißt ich bestieg vorläufig die Bahn und fuhr an die Grenze bei Seymen zu einem alten Bekannten."
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1903
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Anzeige. In: Amts- und Anzeigeblatt für den Bezirk des Amtsgerichts Eibenstock und dessen Umgebung 8.12.
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1903
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Anzeige. In: Vorwärts 4.2.
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1903
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Anzeige. In: Coburger Zeitung 21.02.
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1904
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Riemann, Robert. Dichter-Biographien. Zehnter Band: Gottfr. Aug. Bürger.
"[S.99] Man pflegt eine Bürgerbiographie mit Betrachtungen darüber, was alles aus Bürger hätte werden können, zu schließen. Diese Auffassung hat ihr Bedenkliches. An einem
Ehrentage des Dichters mag wohl in später Stunde ein Enthusiast sich erheben und den gleichgestimmten Hörern versichern, nur die Ungunst der äußeren Verhältnisse habe Bürger verhindert, ein Goethe oder ein Schiller
zu werden. Das paßt zum Stile einer solchen Feier, die prinzipiell die Nüchternheit der wissenschaftlichen Forschung verleugnet. Natürlich hätte Bürger mehr geschrieben, wenn er länger gelebt hätte. Aber die
pekuniäre Bedrängnis hat eher anregend auf seine Produktion gewirkt, wenn es galt, rasch einen Band seiner Gedichte oder einen Musenalmanach auf die erforderliche Bogenzahl zu bringen. Die Verehrer des Dichters
haben bei solchen Behauptungen auch viel weniger die Produktion des Dichters im Auge, als die Entwicklung seiner Persönlichkeit. Wenn man einen Keim in eine rauhe Gebirgsgegend und den anderen in ein Treibhaus
pflanzt, verkümmert der eine und der andere entwickelt sich üppig. Nun kann eine schlechte Pflanze auch im Treibhause verkümmern, eine starke auch auf unfruchtbarem Boden aufwachsen und einigermaßen gedeihen. Da
wünscht man natürlich, beide wechselten ihre Plätze. Wo soll man aber mit diesem Vergleiche bei der komplizierten Kausalität eines Menschenlebens einsetzen? Während die schlechte Erziehung im Elternhause Bürger
nachteilig war, wirkte der Unterharz in der bedeutsamsten Weise auf seine Phantasie. Während er von den Uslars schikaniert wurde, erwachte sein Freiheitssinn. Selbst die wüste Studentenzeit gewinnt ein eigenartiges
Gepräge, wenn man an die bacchantischen Töne denkt, die Bürger zuweilen anschlägt. In der Zeit schwerer sittlicher Verirrungen gebiert seine glühende Leidenschaft die Mollylieder. Wenn man nun die schlechte
Erziehung, Klotz, Uslar, Molly, die Zurücksetzung durch die Regierung als Wachstumshindernisse betrachtet und sich aus Bürgers Leben hinwegdenkt, was bleibt dann eigentlich noch von seiner Persönlichkeit übrig?
Nichts als eine sehr unbestimmte poetische Veranlagung, die doch nur durch seine Erlebnisse Richtung und Eigenart gewann. Man konstatiert mit Trauer, wie wenig Freude Bürger in seinem Leben genossen hat, aber uns
fehlt jedes Wissen über die Rolle, die er in einem sonnenfrohen Dasein gespielt hätte. Besser fragt man nicht, was wir Bürger verdanken könnten, sondern was wir ihm wirklich verdanken. Sehr groß sind seine
Verdienste um die Ausbildung der deutschen Schriftsprache, die glücklicherweise nicht 1760 geschlossen hatte. Ein Heer von Nachahmern trug seine Formen und Wendungen in alle Welt und machte sie zum unverlierbaren
Gute der Allgemeinheit. Auf literarischem Gebiete hat er vorbereitend und erfüllend gewirkt. Vorbereitend in der Ästhetik, Metrik, Orthographie und Stilistik, in der Übersetzung Homers und Shakespeares. Daß seine
Kollegien erst spät gedruckt wurden, beweist nichts gegen ihre Wirksamkeit. Seine Balladen, seine Mollylieder tragen selbst das Siegel klassischer Vollendung an der Stirn; manche von den Epigrammen treten ihnen
würdig zur Seite. Welch eine Torheit wäre es, die ´Lenore´ als eine Vorstufe zu Goethes ´Braut von Korinth´ aufzufassen! Bürgers Balladen sind in seinem eigenen Stile geschrieben, den kein anderer treffen oder
übertreffen konnte. Die ´Lenore´ allein sichert ihm auf ewige Zeiten einen Platz unter den größten und, was er selbst so sehnlich wünschte, einen Platz unter den volksthümlichsten Dichtern der deutschen Nation!"
Riemanns Dichter-Biographie in der ONLNE-Bibliothek
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1904
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Anonym. Jenny, Heinrich. In: Museum der Stadt Solothurn. Katalog der Kunst-Abteilung. Solothurn. Digitalisiert von Französischer Nationalbibliothek
“Jenny, Heinrich, von Langenbruck, gewesener Illustrator des ´Postheiri´. Geb. 1824 in Langenbruck, gest. in Solothurn 1891.
Nr. 167. (34 A.) Lenore. (Nach Bürgers Ballade.) - Léonore d´aprés la ballade de Bürger. - Leonora after the Ballad of Bürger.
L. Hö. 38 cm. Br. 47 cm. Mgr. Sch. des Künstlers. Eig. E. G. “
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1904
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Fuchs, Eduard. 1789-1848 Frankreich und Deutschland. In: Das erotische Element in der Karikatur, Berlin
“[S. 196] Freilich manchmal ging der
Vorwitz der Stürmer und Dränger bis zur phallischen Ungeheuerlichkeit, für die es kein Bürgerrecht in der Kunst geben kann. Dazu gehören z. B. die ´Phantasien in drei priapischen Oden dargestellt und im Wettstreit
verfertigt von B., V. und St. Letzterer erhielt die Dichterkrone.´ Die drei priapischen Oden sind betitelt, 1. An die Feinde des Priap von B., 2. An Priap von V., 3. Wahl meiner künftigen Gattin und ihrer
Eigenschaften von St. Die Verfasser aber waren niemand anders als Bürger, Voß und Stollberg - der fromme Stollberg, der später den Weg in den Schoß der alleinseeligmachenden Kirche fand! Er war's, der den Gipfel an
phallischer Unanständigkeit erreichte, drum wurde ihm auch die Dichterkrone zuerteilt. Es ist kein Wunder, daß der biedere Philister seine Hände vor Entsetzen über dem sittlichen Bauch faltete und rang ob der
Verworfenheit der Stürmer und Dränger, wenn ihm solche Elaborate zu Gesicht kamen. Ein begründetes Recht zur Überhebung aber hatte gerade er am allerwenigsten. In den weitesten Kreisen des Bürgertums herrschte noch
immer dieselbe meinungslose Misere, dieselbe politische Indifferenz wie ehedem. Literarische Zeugnisse dieses ewig stagnierenden Sumpfes sind die Menge pornographischer Romane, die damals in Deutschland vertrieben
und gelesen wurden. Gewiß waren in Preußen seit 1788 die unsittlichen Schriften dem Verdikt der Zensoren unterworfen, aber damit, daß die Sache auf dem Papiere stand, war's nicht getan, denn wirklichen Eintrag taten
solche Verordnungen dem schmutzigen Handel vorerst nicht.”
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1904
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L. Kr. Die Zukunft der katholischen Literatur. In: Allgemeine Zeitung, Beilage vom 25.02.
“Die Toten reiten schnell und noch schneller die Gedanken. Wie oft haben wir dies in der Literaturentwicklung der letzten Jahrzehnte bemerkt!”
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1904
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Leipziger Tageblatt und Anzeiger 17.11.1904
"Die Kanal-Komödie. Die preußische Regierung geht demnächst den herrlichen Tagen entgegen, die uns schon vor Jahren angekündigt wurden, sich aber bisher weder für die
Regierenden, noch für die Regierten einstellen wollten. In der letzten Zeit sind die Träume der preußischen Staatsmänner von dem Alb der Kanalvorlage belastet worden. Gewiß fuhr, ums Morgenrot, der Kanzler oft genug
aus schweren Träumen, in denen er den Massenschritt der disziplinierten Landräte auf der stillen Wilhelmstraße vernommen hatte."
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1904
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Anzeige. In: Leipziger Tageblatt und Anzeiger 26.11.
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1904
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Anzeige. In: Vorwärts 4.3.
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1905
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Bartels, Adolf. Gottfried August Bürger. In: Geschichte der Deutschen Literatur. Erster Band. Die ältere Literatur.
“[S. 430] Zum Überfluß hat ein so gerechter Richter wie Hebbel, der etwas von Bürger hielt und selbst von ihm beeinflußt war (man vergleiche einmal ´Bruder Graurock und die Pilgerin´
bei Bürger und ´Schön Hedwig´ bei Hebbel), das Urteil Schillers bestätigt: Hart hat er es freilich auch genannt und, wenn man auf die Einzelheiten eingeht, so findet man allerdings eine fast unerträgliche
Schulmeisterei (die um so strenger zu beurteilen ist, als Schiller selbst sprachlich von Bürger, man kann beinahe sagen, das Beste gelernt hatte) und den für Schiller charakteristischen Mangel an Verständnis für
wirkliche Lyrik darin. Was kann es helfen, einem Lyriker glückliche Wahl des Stoffes und höchste Simplizität in Behandlung desselben zu empfehlen? Ist der ´milde, sich immer gleiche, immer helle, männliche Geist,
der , eingeweiht in die Mysterien des Schönen, Edlen und Wahren, zu dem Volke bildend herniedersteigt,´ von einem solchen wirklich immer zu verlangen? Jedenfalls ist die Lyrik die pathologischste von allen
Dichtungsarten, und ich bezweifle sehr, ob es dem lyrischen Dichter möglich ist, ´sich selbst fremd zu werden, den Gegenstand seiner Begeisterung (!) von seiner Individualität loszuwickeln, seine Leidenschaft aus
einer mildernden Ferne anzuschauen (!),´ wenn ich auch wohl weiß, daß die ´sanftere und fernende Erinnerung´ der Lyrik oft dienlicher ist als die ´gegenwärtige Herrschaft des Affekts,´ die aber auch häufig genug das
Tiefe und Mächtige hervorruft. Jedenfalls ist es übertrieben, wenn von Bürgers Gedichten gesagt wird, daß sie, so poetisch sie gesungen, so undichterisch empfunden sind, und von der sehr undichterischen Seelenlage
des Dichters gesprochen wird; auch paßt der Vergleich des Lyrikers mit dem Schauspieler durchaus nicht, und ganz klar tritt Schillers Verständnismangel hervor, wenn er das ´hohe Lied von der Einzigen´ nur ein sehr vortreffliches Gelegenheitsgedicht nennt und dabei den ´guten Geschmack´ zum Richter der Lyrik ernennt.
[S. 432] Mit Ausnahme von Gervinius, der Geister wie Bürger überhaupt nicht leiden konnte und noch so unverständig war, bei dem Dichter die ´Mühseligkeit, Berechnung und Technik´ zu
tadeln, übrigens doch auch bemerkte, daß Schiller ´nur auf dem Tadel weilte,´ ist die spätere Kritik diesem doch nur bedingungsweise gefolgt, und die historische Betrachtung kann Bürger noch bedeutend mehr geben als
die Kritik. Zwar wird ihn niemand mit Eugen Dühring als den vorzugsweise deutsch-poetischen Genius preisen, aber daß er den meisten seiner Vorgänger, selbst einem Klopstock gegenüber, einen merkwürdig, ich möchte
sagen, vollblütigen Eindruck macht und seine Zeitgenossen bis auf Goethe an Umfang und Stärke des lyrischen Talents übertrifft, ist unbestreitbar, er ist in seiner Art ein großer Dichter, wenn er auch das Vollkommene nicht erreicht hat.
[S. 433] und nun entstand sein mächtigstes Werk, die ´Lenore´, trotz ihrer Schwächen die deutsche Musterballade, durch die die Gattung bei uns erst geschaffen wurde. Vilmar und nach ihm
Rudolf Hildebrand haben dem Dichter eine ´Verkahrung” des Grundmotivs vorgeworfen, und es ist richtig, daß eine volksliedmäßige Darstellung des unüberwindlichen Sehnens nach den Ruhen an der Seite des Geliebten
poetischer wäre als die des grausigen Strafgerichts über die Gottlästernde; sicher aber entsprach die Wendung, die Bürger der Sage gab, dem Volksgeschmack der Zeit, und er führte seine Aufgabe mit solcher Kraft
durch, daß die ´Lenore´ alles fortriß und noch um die Mitte des 19. Jahrhunderts (wie ich aus den Jugenderinnerungen meiner Mutter weiß) zum Leierkasten gesungen wurde - ein Beweis, daß die Volkstümlichkeit, die
Bürger hier träumte, die echte war. [...] selbst Stücke wie die gelegentlich unbewußt travestierenden ´Bruder Graurock´ und ´Karl von Eichenhorst´ sind als neue Töne ganz gewiß nicht zu verachten und haben
bedeutende Nachklänge gehabt. Von ´Des Pfarrers Tochter zu Taubenhain´ rühmt Hebbel, daß sie ´trotz der Peinlichkeit und selbst Trivialität der Komposition, wenn man sie als Ganzes betrachtet, Schilderungen enthält,
die die deutsche Literatur in solcher Vollendung und Süßigkeit nur einmal besitzt´, und zum Teil läßt sich das auch von dem im ganzen mißratenen Stücke ´Lenardo und Blandine´ sagen. Höchst unangenehm wirken dagegen
die Romanzen von Zeus und Europa und ´Frau Schnips´ - man begreift nicht, wie der Dichter der ´Lenore´ diese in seine Gedichte aufnehmen konnte. Auch die beste Lyrik Bürgers steht auf
bemerkenswerter Höhe. Zwar Stücke wie ´Die beiden Liebenden´ und selbst das berühmte ´Dörfchen´ mit ihrer Rokokofrivolität wird man heute ablehnen, dafür aber die gesamte Molly-Lyrik trotz ihres pathologischen
Charakters für einen der schönsten erotischen Zyklen, die wir besitzen, erklären müssen.
[S. 435] Bürger schwankte künstlerisch etwas, er wollte volkstümlich sein (das Schillersche Ideal des Volksdichters, der die gewagtesten Vernunftwahrheiten in reizender und
verdachtloser Hülle unter das Volk bringt, war aber mit Recht nicht das seine) und hatte andererseits wieder Verlangen nach Glanz und Pracht der Form, nach rhetorisch-machtvoller Darstellung innerer
Kämpfe Auch da ist er weit gekommen, hat, man vergleiche beispielsweise das Gedicht ´Vorgefühl der Gesundheit´, die Schiller-Hölderlinsche schwungvoll elegische Weise glücklich vorweggenommen.
Seine Vorliebe für das Sonett hat dieselbe Ursache, und er hat nicht bloß formelle Muster gegeben, sondern die leicht zu Kälte verführende Form auch mit wärmsten Gefühl ausfüllen können. Gerade hier erreicht er oft
die völlige Einheitlichkeit und Geschlossenheit (siehe u.a. ´Liebe ohne Heimat´ und ´An das Herz´), die so viele seiner anderen Gedichte in der Empfindung Überschwang vermissen lassen.”
Der vollständige Beitrag in der ONLINE-BIBLIOTHEK
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1905
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Beyer, Valentin. Die Begründung der ernsten Ballade durch G. A. Bürger. Dissertation Universität Straßburg
"[S. 1] Mit dem Beginn des neuen Aufschwungs unserer Literatur zu Anfang der siebziger Jahre des 18. Jahrhunderts kommt auch eine bis dahin vergessene oder verachtete Dichtungsart
zu neuer Blüte, die Ballade. In ihrer Entwicklung scheint etwas Gewaltsames, Anormales zu liegen. Ohne deutliche Vorbereitung tritt sie auf und erreicht mit ihrer ersten Vertreterin gleich einen sehr bedeutsamen
Höhepunkt. Bürgers Lenore ist noch heute einzig und unübertroffen in ihrer Art. [...] Man hat bisher fast allgemein, dem Vorgange A.W. Schlegels folgend, den Percyschen Reliques of ancient English poetry für die
Entstehung der ernsten Ballade eine entscheidende Bedeutung beigelegt und wie jener gemeint, daß Bürger ´ohne diese Anregung wohl schwerlich seinen Beruf inne geworden wäre.´ Nur vereinzelt und ohne Beweisführung
ist man neuerdings dieser Annahme entgegen getreten. Eine eingehende Nachprüfung der wichtigen Frage ist unerläßlich.
[S. 8] Die Umstände, in denen sich Bürger damals befand, scheinen eine größere
Vertrautheit mit den Reliques völlig auszuschließen. Der ganze Entwicklungsgang von Bürgers poetischer Kunst spricht gegen eine solche. Als der Dichter etwa zu Anfang des Jahres 1771 den Percy kennen gelernt haben
soll, stand er mitten in der ironisierenden Romanze.
[S. 9] Gegen Ende Februar 1777 ging er für einige Wochen zu Boie nach Hannover auf Besuch. An Allem verzweifend kam er hin, und an Leib und Seele gestärkt
kehrt er anfangs April wieder nach Wöllmershausen zurück. Welchen neuen und rühmlichen Fluf er auch tun mag, Alles dankt er jetzt dem Freund. Schon am 7. dieses Monats ´lebt und webt´ er in den Reliques. Sie sind
seine ´Morgen- und Abendandacht´. Boie muß ihn mit größtem Nachdruck auf Percy hingewiesen haben; denn der neue und rühmliche Flug, den er nun tat, war die Bearbeitung englicher Balladen (Bruder Graurock war
vollendet im Mai 1777). Bis dahin hatte sie Bürger gar nicht besessen, sondern erhielt jetzt erst von Boie ein Exemplar geschenkt.
[S. 10] Vor 1777 ist jedes intimere Verhältnis zu Percy ausgeschlossen.
[S. 13] Wo aber haben wir den Ursprung der mit Bürger beginnenden, ernsten deutschen Literaturballade zu suchen? Meine Auffassung begegnet sich mit derjenigen Hönigs, welcher von der ´Folgerichjtigkeit in
historischer und psychologischer Beziehung´ redet, ´mit der die Ballade als Frucht einer inneren Entwicklung des Dichters sich zeigt´. Hat er auch recht, wenn er als ´Kern dieser Frucht´ das Volkslied bezeichnet, so
läßt sich andererseits doch das Problem nicht so abstrakt darstellen, [...]
[S. 16] Die Einflüsse des Volksliedes wurden bei Bürger vorbereitet und ergänzt durch das Studium des Kirchenliedes. Diese Quelle
populärer Poesie floß für ihn reichlicher, und er kannte sie gründlich.
[S. 22] Die kräftige und populäre Sprache von Bibel und Kirchenlied und die metrischen Maße des letzteren gaben seiner Ballade einen
stärkeren Rückhalt. Was aber Bürger im Gesangbuch nicht finden und ihm im Volkslied in dem Maße nicht zugänglich sein konnte, war der große epische Stil - und den hatte er in Homer.
]S. 25] Mit allen diesen,
wenn auch im Einzelnen noch so mächtigen Einflüssen ließe sich die Entstehung eines neuen literarischen Typus nicht erklären. [...] Entscheidend hat auf ihn die Schauerromanze gewirkt. Das Spukhafte in der
Romanzengeschichte der Lenore versetzte ihn in Entzücken.
[S. 30] Gleim vor Allen hat auf die Lenore noch einen tieferen Einfluß ausgeübt.
[S. 35] Die Frage nach der Begründung der deutschen Ballade ist ganz wesentlich eine Stilfrage. [...] Wodurch die Lenore sich gleich himmelweit über die ironisierende Romanze hinaushob, das war,
um es in einem Wort, mit einem damals sehr beliebten Ausdruck zu sagen - der Ton.
[S. 93] Das Studium seiner gesamten Technik zeigt uns, daß Bürger stets nach bewußten und klaren Regeln, nach den Gesetzen
leidenschaftlicher, volktümlich lebendiger Poesie arbeitet. Er ist ein großer Theoretiker, der sich von Allem, was er schreibt, in jedem Moment Rechenschaft gibt.
[S. 113] Voraussetzung für die ernste Ballade
ist seine epische Begabung, die ihn zu Homer führt und in die ironisierende Romanze treibt, seine populäre Geistesrichtung, die besonders in der Begeisterung für Gesangbuch, Bibel und Volkslied zum Ausdruck kommt,
sine Sturm- und Drang-Natur (mizt dem Zug zum Dramatischen), die ihn für die gewaltige Anregung seiner Zeit bereit sein läßt, und ihn mit innerer Notwendigkeit zur literarischen Großtat fortreißt. "
Beyers Begründung der ernsten Ballade in der ONLINE-BIBLIOTHEK
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1905
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Scherer, Wilhelm. Revolution und Aufklärung. In: Geschichte der Deutschen Literatur. Berlin. (Sammlung Helmut Scherer)
“[S. 509] jenes bewegtere, mehr dramatische Lied, das Herder verlangte und Goethe schuf, gedieh nur in Einem, mit den Göttingern verbundenen Dichter zur Kraft: in Gottfried August
Bürger. Nur in ihm haben Herders Anregungen wahrhaft gezündet. Was für die Straßburger Shakespeare, das bedeutete für ihn die englische Ballade: er ward ihr enthusiastischer Schüler; deutsche Lieder und Sagen traten
hinzu; und die bänkelsängerische, komische und travestirende Romanze, wie sie Gleim versuchte und Bürger selbst noch pflegte, erhob sich durch ihn zum ernsten erschüttenden Seelengemälde. Das Schauerliche, Düstere
zog ihn an, und mitten in diesen aufgeklärten Zeiten hat er Geister und Gespenster beschworen. Welch ein Werk, seine ´Lenore´! Rasender Geisterritt zum Grabe hin, wobei uns allmählich erst klar wird, daß der
sehnsüchtig erwartende Liebende, der Soldat, der sein Mädchen weckte, der Tod war! Und etwas Unauflösliches, Geheimnisvolles bleibt zurück. alles Einzelne ist deutlich, aber wir müssen uns am Schlusse besinnen, was
denn nun eigentlich geschehen sei: war es ein Traum des Mädchens, ein Traum, mit dem sie gestorben ist? war das Gespenst wirklich da und hat sie entführt? Rasende Eile im wildesten Ritt, edle That in steigender
Gefahr, heimliche Lust bei lauerndem Leid, alle solche Gegenstände, die auf ängstliche Spannung berechnet sind, Conflicte der Liebe und des Standes, Treue, Untreue, Verrath, wüsten Egoismus der Hochgeboreren und
verzweifeltes Aufbäumen der Niederen, wußte er mit großer Virtuosutät zu vergegenwärtigen, aber auch Schwänke wie ´Frau Schnips´oder ´Kaiser und Abt´ lebendig zu erzählen. In seinen Liebesliedern suchte er vielfach
nach Scene und Handlung; aber für die zarte Welt des Herzens fehlte ihm reiche Erfindung, und den Mangel an poetischen Motiven suchte er durch äußeren Schmuck, hohe Worte und leeren Klingklang zu ersetzen, welcher
letztere auch manche Strophe seiner besten Balladen entstellt. Maßlose Leidenschaft verdarb ihm sein Leben; und die strenge Form, in die er überquellende Empfindung zuweilen kleidete, die melodischen Sonette, die
glatten, gefeilten Verse konnten ihr den inneren Adel nicht schaffen.“
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1905
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Meyers Großes Konversations-Lexikon
“namhafter deutscher Dichter, geb. in der Silvesternacht 1747/48 in Molmerswende bei Ballenstedt am
Unterharz.” “B. war klein und hager, die
Gesichtszüge waren zu groß für seine Gestalt, aber Stirn und Nase kühn, und durch die schönen Augen schimmerte der schaffende Dichtergeist. Gesellige Gewandtheit ging ihm ab, und seinem Charakter fehlte bei einem
hohen Grad von Herzensgüte die Willensstärke. Bürgers Dichtertalent gedieh nur langsam zur Entwickelung, wesentlich gefördert durch die kritische Strenge seines Freundes Boie und insbes. durch die Berücksichtigung
volkstümlicher Muster. Die Wärme seiner Empfindung, die unmittelbaren und ergreifenden Naturtöne der Innerlichkeit, die Weichheit und zugleich die Kraft des Ausdrucks, die Mannigfaltigkeit der Formen, die er
beherrschte, stempeln ihn zu einem der größten deutschen Lyriker, wenn auch Schillers Vorwurf, ihm fehle der ideale Begriff von Liebe und Schönheit, nicht ganz unberechtigt ist. Neben seinen lyrischen Gedichten
wurden vor allem seine erzählenden Gedichte im Volkston berühmt.”
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1905
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Rehorn, Karl. Lesebuch zur Einführung in die Deutsche Literatur. Erste Abteilung. Von den Uranfängen bis zum Ende des achtzehnten Jahrhunderts. Frankfurt a. M.
“[S. 172] Nur in einem losen Zuammenhange mit dem Hainbund stand Gottfried August Bürger. Sein Leben bildet von seiner Geburt (1747 zu Molmerswende im Mansfeldischen) bis zu seinem Tode
(1794 als Professor in Göttingen) eine Kette von Verirrungen, die es bedauern lassen, daß eine so reich angelegte Natur an dem Mangel eines tüchtigen Charakters zu grunde gehen mußte. Bürgers
poetische Begabung ist unbezweifelt; seine ´Lenore´ (im Göttinger Musenalmanach 1774 veröffentlicht) ist das Muster der deutschen Ballade geworden. Seine Lieder und Sonette fanden die Anerkennung der Besten seiner
Zeit; seine ´Abenteuer des Freiherrn von Münchhausen´(die aus den Unterhaltungen mit seinen Tischgenossen entstanden) sind durch ihre Mischung von Witz und Satire unsterblich geworden. “
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1905
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Walter, Erich. Schiller über Bürgers Gedichte mit einem Nachwort des Herausgebers.
In: Gottfried August Bürgers sämtliche Werke. Neue Ausgabe in sieben Büchern. Erstes bis viertes Buch. Verlag von A.Weichert Berlin
"[S. 120] Das harte Urteil, das Friedrich Schiller über Bürger als Dichter und die Welt über Bürger als Menschen fällte, sah man als unumstößlich an, als Bürger im 46. Jahre seines
Lebens, frühzeitig durch seelische Qualen gebrochen, aus der Welt schied, und lange, lange hat es gedauert, bis die Welt ihm Gerechtigkeit widerfahren lassen sollte. Aber bei aller Hochachtung und Verehrung für
den als Menschen und Gesamterscheinung unendlich viel größeren und harmonischen Schiller muß man heut doch sagen, daß sowohl sein Urteil als das des Herrn ´tout-le-monde´ nicht stichhaltig sind. Das der Herren
´Schnick und Schnack´, wie sie Bürger selbst genannt hat, ist eigentlich nicht der Ehre wert, ernsthaft kritisiert zu werden.
[S. 123] Was nun die Leidenschaft seines Lebens, seine Liebe zu Molly anbetrifft, so kann nur der über diese tiefe und unsterbliche Liebe den Stab brechen, der ´nie durch Liebe Leids
erfuhr.´ Wer aber Liebe im eignen Herzen gefühlt hat, nicht Spekulation und dergl., der wird von seinem erbärmlichen Menschenstandpunkt aus - und wer stände auf einem andern - diese ´leidvolle Seligkeit´ verstehn
und - schweigen. Nur wenn Bürger leichtsinnig seine Frau vernachlässigt und sich aus purer Sucht nach Abwechslung mit andern eingelassen hätte, wäre die Welt berechtigt, ihn - wenn es sein muß! - zu verurteilen.
[...] Bürger war seiner ganzen Anlage nach ein derbfrischer, sinnlicher, gesunderdenfroher Sohn der Natur. Sein ursprünglicher Witz, seine gerade, ungekünstelte Art führten ihn von allen hohen Abstraktionen weg auf
das Nahe, Anschauliche. In seiner Lyrik steckt der Zauber einer Naturhaftigkeit, wie sie Rousseau je geträumt hat. Als Auffrischer der Ballade, die damals wieder ausgegraben wurde, kamen ihm die
großen Vorzüge seiner Natur, verbunden mit einer unnachahmlichen Leichtigkeit eines onomatopoetischen Naturalismus im Stil zu statten, um ihm auf diesem Gebiet den ersten Platz zu sichern. Was das heißt, wird jeder
wissen, der bedenkt, daß er einen Goethe zum Konkurrenten hatte. Danach aber kam die hochgebildete klassische Kunstrichtung hoch und wurde zu einem in vieler Hinsicht unheilvollsten Dogma. Was sollte Bürger mit ihr?
Leider war sein Urteil nicht so sicher, dß er ruhig bei seiner urdeutschen Sangesart verblieb. Er machte schüchterne Anlehnungsversuche, die ihm manches schöne Lied verhunzt haben. Im Innersten erkannte er doch, wie
conträr ihm dieser ganze griechische Götterwust war (wir können ihm nur beistimmen!), den er schon 1776 in ´Neue weltliche hochteutsche Reime´ aufs burleskeste verulkt hatte. Er nahm für sich gegen die mächtige Mode
Stellung, indem er für sich eine volkstümliche Richtung inaugurierte. Damit hatte er´s wohl oder übel mit den beiden Weimarer Literaturkaisern verdorben.
[S. 124] Wenn man auch nicht annehmen darf, daß Schiller damit absichtlich Bürger ruinieren wollte, so war es doch eine Anmaßung sondergleichen, dem total heterogen veranlagten Bürger
seine eigene filtrierte Natur doktrinär aufzudrängen. Hinzu kommt noch, daß Schiller Bürger zum Vorwurf macht, aus den Mollyliedern, in denen Bürgers größte Leistung ruht, guckte der Verfasser zu viel heraus. Das
wäre ungebührliche Eitelkeit. Dies grundfalsche Urteil, das nur von Schillers unlyrischer Natur zeugt, ist längst rectifiziert worden.
[S. 125] Wir wollen heut, nachdem das harte Urteil Schillers rectifiziert ist, mit ihm nicht rechten. Er wird sich selbst über die Folgen seiner Recension Vorwürfe gemacht haben.
Denn Bürger ist und bleibt eines unserer deutschesten Dichter, wie der ihm ähnliche Kleist, an dem sich Goethe so schwer verging. Und er ist einer der größten Lyriker unserer Nation, wenn er auch nicht einer der
größten Menschen war.”
Walters Erstes bis viertes Buch von Bürgers Werke in der ONLINE-BIBLIOTHEK
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1905
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Ebstein, Erich. Schiller und Bürger. Zeitschrift für Bücherfreunde, Neunter Jahrgang 1905/1906, S. 94f
“[S.98] Am verblüffendsten ist es eigentlich, in Schillers Rezension zu lesen, ein wie geringes Verständnis er für Bürgers Molly-Lieder hatte. Und doch war es für Schiller die Zeit der
ersten Liebe zu Lotte von Lengefeld; aber wäre er fähig gewesen, seinen reinen und tiefen Herzensempfindungen einen liebeslyrischen Ausdruck zu geben? Schon am 3. März 1791 konnte Schiller von der Wirkung der
Rezension in Weimar an Körner schreiben: ´In allen Circeln las man sie vor, und es war guter Ton, sie vortrefflich zu finden, nachdem Goethe öffentlich erklärt hatte, er wünschte Verfasser davon zu seyn.´ Otto
Harback nimmt wohl den richtigsten und gerechtesten Standpunkt in dieser Frage ein, wenn er ausführt, daß Schiller sich mit dieser Rezension im ganzen ins Unrecht setzte. Die Theorie war eine unmögliche; seine Lehre
von der Idealisierung mußte die lyrische Dichtung töten. Schiller hat auch später ein klares Bewußtsein dieses Irrtums gehabt, wenn er nur an dem Endurteil über Bürger festhielt, die Beweise aber, die er dafür
angeführt, preisgab. Als Schiller nämlich elf Jahre später - anno 1802 - die Bürgersche Rezension der Sammlung seiner prosaischen Schriften einverleibte, schrieb er: er könne auch noch jetzt seine Meinung nicht
ändern, aber er wolle sie mit bündigeren Beweisen unterstützen, denn sein Gefühl sei richtiger gewesen als sein Räsonnement. ´Die Leidenschaft der Parteien,´ fährt Schiller fort, ´hat sich in diesen Streit gemischt;
aber wenn alles persönliches Interesse schweigt, wird man der Intention des Rezensenten Gerechtigkeit wiederfahren lassen.´ Harnack geht jedoch mit vollem Recht noch weiter, und betont, daß man auch gegen das
Endurteil Schillers Einspruch erheben müsse. Denn ´Bürger war nicht nur talentvoll, sondern in ihm lebte ein Funke genialen Feuers. Und er hatte das Recht, trotz aller Mängel seiner Ausbildung ein Urteil zu fordern,
das von der Achtung vor dieser poetischen Genialität getragen war. Dafür ließ Schillers Rezension das Verständnis vermissen; von der Nachwelt ist sie nicht bestätigt worden.´ In dieser Hinsicht bemerkte Wilhelm
Ebstein vor kurzem: ´Die so viel besprochene und angefochtene Schillersche Kritik ist eins von den zahllosen Beispielen, aus denen sich ergibt, daß selbst die bedeutendsten Männer einer Nation nur zu oft die
Anerkennung großer Leistungen seitens der Zeitgenossen hintanzuhalten vermögen.´ “
Ebsteins Schiller und Bürger in der ONLINE-Bibliothek.
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1905
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Bleibtreu, Carl. Unmaßgebliches über Friedrich Schiller.
In: Deutscher Kampf. Eine Monatsschrift. Bd. 1. (1905). Nr. 5 (Mai 1905) S. 29-37. Hier nach Norbert Oellers: Schiller - Zeitgenosse aller Epochen, Frankfurt/Main 1970
“[S. 172] Was nach Ideen bei Schiller aussieht, ist vollends äußerliche Blendung. Eine einzige Stelle tastet von fern nach tieferen Gedanken, Wallensteins gereimter Monolog: ´Des Menschen
Taten und Gedanken, wißt!´ Bezeichnend freilich, daß er ihn reimen und das Flickwort ´wißt´ einschieben mußte. In der gereimten Prosa seiner angeblich philosophischen Gedichte findet sich unter lauter Trivialitäten
eine einzige Probe dichterischer Sprache, die auch zum einzigen Mal wirklichen Tiefgehalt birgt: ´Du kerkerst den Geist in ein tönend Wort, doch der Freie wandelt im Sturme fort!´ Ach, er selber kerkerte den Geist
in tönende Worte und wandelte in keinem anderen Sturme als dem Beifallssturm der Theatergalerien. Man vergleiche seine geschwollenen Balladen mit denen von Bürger, Fontane, geschweige denn den schottischen
Volksballaden, um zu begreifen, was Poesie und Natur oder nüchterne Pathetik und Unnatur seien. In jugendlicher Unreife entrüstet man sich darüber, daß die Romantiker bei Vorlesung der ´Glocke´ vor Lachen vom Stuhle
fielen, und in biedern Literaturgeschichten von literarischen Ignoranten tönt solch naive Entrüstung noch heute nach. Wir aber begreifen, warum wahre Dichter wie Novalis, Tieck, Kleist nur mit Verachtung dies
grauenvolle Lehrgedicht für geistigen Pöbel mit seinen Lebkuchenverschen strafen konnten.“
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1905
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Schröder, Eduard. Schiller in dem Jahrhundert nach seinem Tode.
In: Rede zur Feier des Geburtstages Seiner Majestät des Kaisers und Königs am 27. Januar 1905 im Namen der Georg-August-Universität. Göttingen 1905. Hier nach Norbert Oellers: Schiller - Zeitgenosse aller Epochen, Frankfurt/Main 1970
“[S. 134] Schillers lyrische Dichtung zeichnet sich von vornherein durch eine gewisse Enge der Stimmungen aus: sie ist im wesentlichen beschränkt auf die rhetorisch gefärbte
Elegie und die pathetische Satire; mit dem unendlichen Stimmungsreichtum Goethes ist sie nicht zu vergleichen. Es fehlte ihm ferner ganz jene Fühlung mit der Volkspoesie, die Bürger und Goethe besaßen: er hatte sie
in der Jugend nicht erworben und er hat sie später, als seinem innersten Wesen fremd, ehrlich verschmäht. So hat er denn seine Balladen bald mehr an die Elegie angelehnt, wie etwa die ´Kassandra´, bald direkt
rückwärts an die lehrhafte Dichtung der Gellert und Gleim: Stücke wie ´Die Bürgschaft´ und ´Der Gang nach dem Eisenhammer´ sind dafür besonders charakteristische Zeugen. Und schließlich: sein Sprachschatz ist im
Vergleich mit Goethe und Herder ein geradezu auffällig beschränkter, wie schon Jacob Grimm scharf betont hat.“
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1905
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Fontane, Theodor. Emil Drach. In: Causerien über Theater. Berlin.
“[S. 377] Mehr als einmal hab´ ich hervorgehoben, daß in Herrn Drachs Spiel ein beständiger Wechsel von Kraft und Weichheit, von gewappnetstem Balladentum und gemütlichstem Idyll
anzutreffen sei. ´Knapp´, sattle mir mein Dänenroß´ und ´Auf die Postille gebückt zur Seite des Wärmenden Ofens saß der redliche Tamm´ (ach nur zu redlich) und zwischen diesen Gegensätzen pendelte Herrn Drachs
Kunstweise hin und her.“
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1905
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Karmin, Otto. These III. Die kapitalistische Wirtschaft ist nicht imstande, die Konsumkrisen in bedeutenderem Maße einzuschränken; diese sind mit ihr unlösbar verknüpft. In: Vier Thesen zur Lehre von den Wirtschaftskrisen, Dissertation Heidelberg
“[S. 50] Da nun keiner von seinem Gewinnprofit etwas einbüßen will,
´gallopiert die Erzeugung selbstmörderisch dem Verbaruch voran; der Verbrauch hinkt der immer schneller galoppierenden Produktion in immer weiterm Abstand nach, bis diese, die nur gedeihen kann, wenn der Verbrauch
mit ihr Schritt hält, plötzlich wie ein niedergerittenes Pferd gelähmt zusammenbricht. Allmählich kommt der Verbrauch heran, haucht der Produktion mit einiger Nachfrage neuen Lebensodem ein: und ´hurre, hurre, hopp,
hopp, hopp´! nach wenigen vorsichtigen Schritten geht's wieder ´fort in sausendem Galopp´, bis Kraft und Atem wieder versagen.26)
26) Oppenheimer: Siedlungsgenossenschaft, p. 547”
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1905
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Leipziger Tageblatt und Anzeiger 21.2.1905
"Ein Kapitel von der politischen Willfährigkeit. Seit Monaten hat der Freiherr von Zedlitz prophezeit, daß die preußische Politik einem wonnigen Stilleben gleichen würde,
sobald nur der Kanalzwist zwischen der Regierung und den Konservativen beigelegt sei. Den Grafen Bülow erblickte er gleich dem redlichen Tamm 'auf die Postille gebückt' und ein Friedenspfeifchen schmauchend.Die
gemaßregelten Landräte hingeschmiegt zu seinen Füßen. Die Regierung hat nun in der Tat alles getan, um dieses familiäre Idyll zu verwirklichen und auch die Konservativen erweichten ihren harten Sinn und machten
endlich Frieden. Indessen liegt es in der Natur der Sache, daß diese behagliche Nachtischstimmung, die durch die Handelsverträge erzeugt ist, nicht lange dauert."
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1905
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Sächsische Volkszeitung 18.1.1905
"Vermischtes. Mein lieber Leser, der du dich bis hierher durchgewunden unter dem Rucksack der alten Lumpensammlerin hindurch, die auch dich
einst auf ihren gekrümmten Rücken nehmen wird durch Wildnis, Verzweiflung, Schiffbruch, Menschenfresserei und etliche Schlachtfelder — wenn dir bis jetzt der Schädel noch nicht gekracht hat, dann fragst du dich
wohl: 'Ja, was will denn der Herr eigentlich sagen? Nur Geduld, 'Wenns Herz auch bricht'! Einige Zeilen weiter kommt die Aufklärung."
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1905
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Anzeige. In: Frankenberger Tageblatt 25.11.
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1906
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Benzmann, Hans. Bürgers Bedeutung für die classische und moderne Ballade. In: Die Gegenwart.
„[S. 104] Es giebt Dichter, deren Werke nie veralten, auf deren Kunst die späterer Jahre immer wieder zurückkommen wird. Abgesehen von den großen universalen Geistern, von einem Goethe,
Schiller, Shakespeare, gehören zu diesen Auserwählten minder geniale oder nur nach bestimmter Richtung hin genial beanlagte Poeten, Dichter, die unmittelbar aus dem Volksempfinden schöpften, oder solche, deren Kunst
durchaus originell ist und späteren Talenten immer wieder die Wege weist. Der ersteren Art sind Bürger, Uhland, Eichendorff, der anderen Heinrich von Kleist, Hebbel, Annette von Droste-Hülshoff und Gottfried Keller.
Wir leben gerade jetzt in einer Zeit, in der die Kunst nach Überwindung des Epigonenthums und des undeutschen Naturalismus, sowie des ebenso undeutschen artiftischen Symbolismus wieder an die besten Traditionen
anzuknüpfen sucht.
[S. 105] Dieses deutsche poetische Empfinden, in dem die schöpferische Kraft wurzelt, und aus welchem heraus die Kunst entstand, die ich wahrhaft nationale
nennen möchte, welche ebenso mystisch tief wie relistisch anschaulich wirkt, besaß Bürger fast als einziger unter seinen Zeitgenossen neben dem jungen Goethe.”
Der Beitrag in der ONLINE-BIBLIOTHEK
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1906
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Boetticher, Gotthold. Bürger. In: Deutsche Literaturgeschichte. Hamburg
“[S. 164] Er war eine ungezügelte, von sinnlicher Leidenschaft beherrschte Natur und konnte schon darum nicht den tieferen sittlich-idealen Boden der Haindichter teilen. Aber in
dem Streben nach dichterischer Freiheit, Kraft und Originalität fand er sich mit ihnen zusammen, als er bereits Göttingen verlassen hatte und seit 1772 nicht weit davon in Gelliehausen Amtmann geworden war. Seine
zum Teil sehr frivol angehauchten ersten Gedichte sind bedeutungslos, aber seit 1773 begeisterte er sich, durch Percys altenglische Balladen und besonders durch Herders Aufsatz über Ossian und die Lieder aller
Völker in den ´Blättern von deutscher Art und Kunst´angeregt, für die Schöpfung einer wirklich volkstümlichen Ballade ernsten Charakters. Was sich gleichzeitig auf dem Gebiete des Dramas abgespielt hatte, die
Schöpfung der bürgerlichen oder besser allgemein menschlichen Tragödie durch Lessing, gekrönt durch Emilia Galotti, was Herder für die Lyrik forderte, das geschah hier für das tragische epische Lied: das Volk in
seinem ganzen Wesen und Empfinden wird die Fundgrube für das neue Stoffgebiet. Bürger faßte Ton und Gehalt der alten epischen Volkslieder kongenial unter künstlerische Gesichtspunkte und wurde so der Schöpfer unsrer
modernen Kunstballade, deren Wesen Volkstümlichkeit in künstlerischer Gestaltung ist. Die erste und zugleich vollendetste Schöpfung dieser Art war ´Lenore´, die Bürger 1773 den Haingenossen, deren Staunen,
Bewunderung und Grauen hervorrufend, vorlas. Von den späteren Balladen steht ´Der wilde Jäger´ fast auf gleicher Höhe, während ´Das Lied vom braven Mann´ zu wortreich ist und zu aufdringlich moralisiert. ´Der Kaiser
und der Abt´ ist von echtem volkstümlichen Humor erfüllt. In diesen Dichtungen liegt Bürgers bleibende Bedeutung, die von Schiller in einer Rezension allerdings nicht hinreichend gewürdigt wurde. Bürger,
von Goethe wohlwollend beurteilt und auch, als er in Not war, unterstützt, war eine der sittlichen Größe Schillers zu entgegengesetzte Natur, als daß er von ihm tieferes Verständnis für seine Eigenart hätte erwarten
können. Schiller beurteilte den Menschen, denn nur der war ihm vom Dichter unzertrennlich, und fand dessen Eigenart, die Zügellosigkeit, auch in seinen Dichtungen wieder, nicht bloß inhaltlich in den zum Teil
frivolen Jugendgedichten und andern Liedern, sondern auch formal in den Balladen in der nach seiner Meinung hart an das Banale streifenden volkstümlichen Sprache. Für echt volksmäßige Ausdrucksweise hatte Schiller
kein rechtes Verständnis. Dagegen erkannte er die kunstmäßigeren Sonette an. Der Gegensatz der Persönlichkeiten ist bezeichnend: Schiller in unaufhörlichem Ringen nach den höchsten Idealen, Bürger schließlich
untergehend im Mangel an Selbstbeherrschung und sittlich-ernster Lebensauffassung. Sein Unglück war seine Ehe.“
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1906
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Spitzer, Daniel. Briefe Richard Wagners an eine Putzmacherin, Wien.
“[S. 55] Wir sehen in dem
sechsten Briefe den Meister von der Sehnsucht nach dem gesteppten Schlafrock aus Rosa-Atlas verzehrt. Ungeachtet seines Drängens machte die Putzmacherin von dem Schlafrock sich nichts wissen "und hatte nicht
geschrieben, ob er gesund geblieben", wie es in Bürgers "Lenore" heißt. Er macht ihr über ihr Schweigen sanfte Vorwürfe, aber schon im folgenden Briefe (im achten) finden wir ihn resigniert auf die
Verwirklichung seines Ideales verzichten.”
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1906
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Anzeige. In: Vorwärts_22.4.
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1906
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Anzeige. In: Vorwärts_24.11.
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1907
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Kiesel, Fritz. Bürger als Balladendichter. Beiträge zur Literaturgeschichte Heft 33
“[S.61] Die Anschaulichkeit, Ordnung und Abrundung ist ihm in den meisten seiner Balladen durchaus gelungen. Er hat um diesen Preis verzichtet, und seiner ganzen Natur nach verzichten
müssen, auf die Sprünge und Würfe, die traumhaft verschwendende Unbestimmtheit, das Abgerissene und scheinbar Ordnungslose, Unvermittelte, das Herder als Eigentümlichkeit der Volkspoesie hingestellt hatte. Aus
dem Streben nach naturalistischer Wirkung entsprang die Vorliebe für die Darstellung entsetzlicher Begebenheiten und sinnlicher Motive, Übertreibungen, Verschwendung an Bildern und dergleichen. Nach der Seite der
formalen Korrektheit hat es Bürger besonders weit gebracht. Es war zu seiner Zeit nicht leicht, in Fragen der Grammatik immer das Richtige zu treffen. Seine Metren sind dem Gedankeninhalt meist angepaßt. Assonanz,
Alliteration, Klangmalerei und ähnliche Mittel machen seine Strophen oft wunderbar musikalisch. Aber auch hier hat ihn sein Suchen nach dem treffendsten Ausdruck oft zu Fehlern verleitet. Nicht selten finden sich in
seiner Sprache derbe unpoetische Redensarten und Ausdrücke, die nur der Vulgärsprache oder dem Dialekt angehören.[...]
[S.63] Und wenn es ihm auch nicht gelungen ist, ein großes Volksepos zu schaffen, so ist doch diese seine Hoffnung auf dem Umwege über England in gewissem Grade in Erfüllung gegangen,
allerdings in einer Weise, wie er es wohl kaum erwartet hätte. Bürgers Lenore machte W. Scott nach seinem eignen Geständnis erst zum Dichter. Mit einer Übersetzung der Lenore und des wilden Jägers eröffnete er seine
schriftstellerische Laufbahn. W. Scott wuchs aber über die Ballade hinaus. Er brachte es wirklich zum volkstümlichen Epos, zunächst in Versen und endlich in Prosa d.h. zum historischen Roman; dieser wurde nach
Deutschland verpflanzt. Sein Stoffgebiet wurde bedeutend erweitert. Und so hat der Roman, die modernste aller Dichtungsarten, das volkstümliche Epos unserer Zeit, eine seiner Hauptwurzeln in Bürgers
Balladendichtung.”
Kiesels Bürger als Balladendichter in der ONLINE-Bibliothek.
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1907
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Fries, Albert. Zu Bürgers Stil. In: Pädagogisches Archiv
“[S.594] Bei wenigen Dichtern verlohnt die Stilbelauschung sich mehr als bei dem Sangesmeister, der mitten im Formchaos der Stürmer ein sorgsam meißelnder Gestalter war (wie
Kleist den Romantikern gegenüber); nicht nur “korrekt”, sondern eine Artistennatur! Früh den Engländern, später den Italienern nachsingend, ist er ein Vorvater wie der anglisierenden
(Shakespeare!), so der romanisierenden Aneignungskunst (Schlegel, Gries usw.). Zuerst reizt ihn Kraftentfaltung, dann die Kunst süßer Einschmeichlung. Die Schwinge des Pathos, die Klopstock in reim-, später wohl
auch formlosen Strophen oft ins Nebelhafte trug, ist hier in Farbe, Reim und romantischen Wohllaut getaucht (An Agathe, Hohelied, Heloise). Den Sinnlichen reizt die sinnliche Seite des Kunstwerks, Form und Klang.
Nicht “Stimmung”, nicht Mystik ist die Stärke dieses Apostels der Faßlichkeit; dafür gutmütig naive Herzensfülle und satte Farbe. Statt Würde und Anmut Kraft und Süßigkeit. Seinem Rousseauischen Fehderuf:
Volkspoesie gegen Gelehrtenkunst ist in Ton und Ethos verwandt der Gegensatz des herzensadligen Plebejers (Lenardo, der brave Mann, der Hirt im “Jäger”, Hans Bendix) zum herzlosen Adligen (Falkenstein, Wildgraf, der
spanische Prinz). Gegen seine Volkstümlichkeit kontrastiert Schillers aristokratische Vornehmheit. - Ein Schauspieler steckt in ihm; das mimische Element ist stark entwickelt. Seine Briefe - ´o er war ein Bursche
von unendlichem Humor!´ Hundert Lustspielkeime schlummern in ihnen! Der Gestaltungsfrohe maskiert sich gern und karikiert den Kurial-, Pastoren- und Altgevatterstil. Mimisch wird selbst seine Orthographie
(´Ahhhhhh´). Ach, und das Rührendste an ihm - die liebe, sanfte Geste, mit der er all die Schicksalsschläge hinnimmt. - Seine Balladen gewinnen erst durch die Deklamation ihre Entelechie, wie das Drama durch die
Aufführung. Das wußte er, - er selbst ein modulationskundiger Deklamator! Seine frisch quellende Lebendigkeit ist manchmal durchsetzt mit einem Gran pedantisch eifernder Hast. - Später baut er Prachtstrophen, wie
Goethe sie selten schuf. Doch erkennt der tiefer dringende Blick manche Verwandtschaft mit dem massiven Prachtstil der ´Natürlichen Tochter´. Besonders den späteren Bürger, dessen Hohelied zu Unrecht vergessen wird,
möchte ich mehr ins Licht stellen."
Bürgers Stil von Fries in der ONLINE-Bibliothek
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1907
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König, Eberhard. Fünfter Aufzug (Tauroggen, 29. Dezember 1812) In: Stein - Vaterländisches Festspiel. Berlin
“[S. 102] Dohna. Wo er nur bleibt! Wo er nur wieder bleibt!
Ist Generalmajor von Corswandt mit ihm?
Canitz. Er ritt allein fort, wie´s so seine Art. Dohna. Jaja! ´Knapp´, sattle mir mein Dänenroß,
Daß ich mir Ruh erreite!´ (Springt auf) Hols der Teufel! “
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1907
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Sächsische Volkszeitung 4.8.1907
"Geduld, Geduld — wenn der Schirm auch bricht! Mensch, ärgere dich nicht, denn der Aerger ist nutzlos. Laß dir die Stimmung nicht verderben und nicht von den Nerven
unterkriegen! Galgenhumor ist auch ein Humor. Auch von dem ödesten Landregen laß dir die Hoffnung nicht wegspülen: es kann ja leicht besser werden, namentlich dann, wenn es so schlecht als möglich ist. Sei nicht
übelnehmerisch, wenn der eine oder andere Mitbürger bei diesem häßlichen Zeitlaufe ärgerlich wird und seine Mißstimmung dich fühlen läßt."
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1907
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Kölnische Zeitung 2.6.1907
"Der Vagabund. [...] Aber da fing Anne-Lisbeth an stolz zu werden, und mehr als einmal setzte es Zank zwischen ihnen. Da lief ergrollend fort, aber stand den ganzen Tag auf der
Treppe des Gärtnerhauses, um in das Küchenfenster zu sehen. 'Geduld, Geduld, wenn's Herz auch bricht,' sagte er zu der Gärtnerstochter, aber kam jeden Tag wieder unverrichteter Dinge an."
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1907
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Berliner Tageblatt und Handels-Zeitung 12.5.1907
"Politische Wochenschau. Diese Unfruchtbarkeit des Regierungsblocks ist gewiß mehr als böser Zufall. Sie hat tiefer liegende Gründe. [...] Daß er später etwas leisten wird,
dafür fehlt es an jeder Grundlage. So ist 'Geduld, wenn's Herz auch bricht' die dürftige Lebensweisheit, die aus der ersten Tagung des Reichstages herausdestilliert werden kann."
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1907
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Berliner Tageblatt und Handels-Zeitung 8.4.1907
Eine Geduldsprobe. Aus allen Darlegungen Naumanns klingt es heraus: Geduld, Geduld, wenn's Herz auch bricht! Die drei linksliberalen Parteien können für sich allein gar nichts
erreichen."
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1907
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Anzeige. In: Vorwärts 7.4.
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1907
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Anzeige. In: Vorwärts 15.11.
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1907
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Anzeige. In: Vorwärts 16.1.
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1908
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Berger, Herbert von. Gottfried August Bürger. In: Die Hilfe.
„[S. 469] Bürgers „Lenore“, Goethes „Götz“ und Schillers „Räuber“ - das waren drei Anfänge, die das Allergrößte verhießen. Drei Schritte auf dem
Wege reinster Naturpoesie, die einen mächtigen Aufstieg zum Gipfel höchster Kunst erhoffen ließen. - Aber Goethe und Schiller kamen ans Ziel. Bürger verirrte sich, um nicht wieder zurückzufinden. Für Goethe und
Schiller waren die Jugendwerke Proben für ihre Kraft gewesen, Weissagungen, die ihnen ihren Beruf verhießen. Bürger berauschte sich am Erfolg des ersten Gelingens. Ihm wurde diese erste große Schöpfung zu einem
Licht, um das er immer und immer kreiste, bis seine Flügel erlahmten.
[S. 485] Bürgers Balladen, die drei großen wie die späteren, sind die populärsten Dichtungen, die wir Deutschen in vollendeter Form besitzen. Populär nicht in
dem Sinne, daß sie dem Gebildeten nichts sein können. - Der Arbeiter kann am Herd den Seinen diese Gedichte vorlesen und der Gebildete, wie er sich nennt, muß von seinem Schloß niedersteigen in die grünen
Wiesen und heimkehren zum Ursprung wahrster Poesie, - dahin, wo der Dichter noch nichts weiß von Gedanken-Problemen, denen er Gestalten erringen will, nichts weiß von den Mauern, die der Verstand um die naive Seele
baut, wo der Sänger zur Laute erzählt: den Totenritt, die Mär vom wilden Jäger und vom Pfarrerstöchterlein, des armen Suschens Traum, das Lied vom braven Mann, den Spaß vom Kaiser und dem Abt – und alle die andern.
[S. 486] Bürgers „Lieder an Molly“, seine zweite Frau, geben im Zusammenhang das Bild unsäglich ehrlicher, hinreißender Leidenschaft. [...] - da traf wie ein
letzter vernichtender Schlag in sein Leid Schillers verurteilende Kritik. - Seltsam, die größten Talente, die neben Goethe und Schiller erschienen, empfingen gerade von ihnen die tötlichsten Streiche: Bürger und
Kleist, dieser von Goethe, jener von Schiller. Wir wissen heute, daß die beiden Großen geirrt haben, begreifen auch, warum sie irren mußten. Kleist loderte in maßlosem Zorn gegen Goethe auf und ging trotzig auf
seinem Weg weiter. Für Bürger wurde Schillers Urteil die bittere, tötende Neige auf dem Grunde seines Leidenskelches. Er war nicht mehr jung genug zu Kleistschem Trotz, nicht glücklich genug zu einem befreienden
Lachen – und er, der sich nicht lösen konnte vom Glanz des ersten Erfolges, der sich wieder und wieder berauscht hatte an dieser ersten Anerkennung, war zu abhängig geworden vom Urteil andrer, um die Verurteilung
aus dem Munde eines Größeren ertragen zu können.“
von Bergers zweiteiliger Aufsatz in der ONLINE-BIBLIOTHEK
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1908
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Anonym. Bürger. In: Brockhaus Konversations-Lexikon. Leipzig.
“[S. 117] Der allgemeine Beifall, der B.s Balladen, wie ´Lenore´, sein Meisterwerk, ´Lenardo und Blandine´, ´Des Pfarrers Tochter von Taubenhain´, ´Der wilde Jäger´, ´Das Lied vom
braven Mann´, ´Der Kaiser und der Abt´, ´Das Lied von Treue´, ´Die Kuh´ und andere teils nachgebildete, teils erfundene, empfing, beweist, daß er zuerst den richtigen Weg einschlug, um die engl. Balladenpoesie in
Deutschland einzubürgern; in andern Balladen gefällt er sich in einem gesucht burlesken Ton (´Der Raubgraf´, ´Die Weiber von Weinsberg´, ´Frau Schnips´). Im eigentlichen Liede, wo er sich dem Volkstone nähert und
sich nicht, wie im ´Hohen Liede´ oder in der ´Nachtfeier der Venus´, mit Rhetorik und rhytmischem Glanze begnügt, steht B. den besten Dichtern gleich. Seine Liebesgedichte, obschon sie die Liebe mehr in ihrem
sinnlichen Gehalt als in ihren zarten Tiefen und geistigen Elementen erfassen, sind oft hinreißend durch den klangvollen Strom der Worte und die leidenschaftliche Glut des Gefühls. Er zuerst wieder ließ alle
Empfindungen des Herzens in seinen Versen zu völlig ungekünstelten, ehrlichem und doch poetisch vollendetem Ausdruck gelangen. B. ist als Mitschöpfer der neudeutschen Dichtersprache zu betrachten. Fast überängstlich
auf Korrektheit und Wohllaut des Verses haltend [...] hat er auch fremdländische poet. Formen, wie das Sonett, in Deutschland neu zu Ehren gebracht; seine Sonette gehören zu den besten in deutscher Sprache; der
glänzende Formkünstler Aug. Wilh. Schlegel war sein Jünger. “
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1908
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Der sächsische Erzähler : Bischofswerdaer Tageblatt 08.1.1908
"Neustadt, 3. Januar. Das neue Jahr wurde hier in herkömmlicher Weise durch Glockengeläute und Choralgesang eingeleitet. Der erste Tag des neuen Jahres bot der hies.
Bewohnerschaft einen heiteren Kunstgenuß. Mitglieder des hiesigen Männergesangvereins veranstalteten im hiesigen Schützenhaussaale einen Singspiel- und Operettenabend, dessen Hauptdarbietung die Aufführung der
Operette 'Der Abt von St.Gallen', Text nach Bürger von G. Martin, Musik von W. Sachs, bildete. Langanhaltender,lebhafter Beifall wurde dieser in allen ihren Teilen wohlgelungenen Vorführung gespendet."
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1908
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Tagesneuigkeiten. In: Münchner neueste Nachrichten 04.02.
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1908
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Anzeige. In: Münchner neueste Nachrichten 31.10.
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1909
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E. Gutjahr, H. Draheim, O. Küntzel, Rob. Riemann. Klopstock und der Hain. In: Weichers Deutsche Literaturgeschichte. Leipzig
“[S. 71] Bürger hatte auf der Suche nach volksmäßiger Lyrik das uralte Gespensterlied vom Reiter gehört, der nachts seine Braut abholt und ins Grab trägt. Besonders hatten sich ihm die
Verse eingeprägt: Der Mond, der scheint so helle, Die Toten reiten schnelle. Daraus entstand die erste deutsche Ballade, die diesen Namen verdient, eine Erzählung in dramatisch bewegter,
sprunghafter Form. Sie machte Bürger mit einem Schlage berühmt, da er den Stoff der Gegenwart angenähert und zu packender Wirkung gesteigert hatte. [...]
Inzwischen hatten sich die Klassiker von Bürger zurückgezogen. Schiller unterwarf seine Gedichte in der ´Allgemeinen Literatur-Zeitung´ einer vernichtenden Kritik. Er warf Bürger vor, daß er zum
Volke zu tief herabsteige und nur Gelegenheitsgedichte schreibe. Bürgers Gefühlsdichtung erschien gegenüber Schillers Gedankenlyrik als eine niedere Gattung, während sie im Grunde nur eine andere, in ihrer Art wohl
berechtigte war. [S. 72] Ebenso knüpft die rührende Erzählung von der Kuh der Frau Magdalis an eine wahre Begebenheit an. Bürger besang keine entlegenen Begebenheiten, weil ihm die Leichtverständlichkeit als erstes
Erfordernis der Volkstümlichkeit galt. Eine Neuheit war innerhalb der deutschen Dichtung die Klangmalerei, mit der Bürger alle Töne und Geräusche nachzuahmen suchte. Spricht er von einem Horne, so ruft er: ´Trara!
Trara!´, beim Rosse: ´Tapp! Tapp!`, oder: ´Hopp! Hopp!´, beim Fechten: ´Kling und Klang!´, ´Ach und Krach!´ Auf dem Gebiete des Liebesliedes nimmt Bürger nach Goethe den ersten Platz ein. Die an Auguste Leonhart gerichteten Lieder durchweht eine Glut und Innigkeit, eine unmittelbare Gefühlswahrheit, die selbst Goethe nur in seinen besten Dichtungen eigen ist. [...] Von Bürgers humorvollen Fabeln sind ´Der kluge Held´ und die ´Schatzgräber´ lebendig geblieben. Außerdem verdanken wir ihm eines der bedeutendsten Werke der komischen Literatur, den ´Münchhausen´. “
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1909
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Wellberger, H. V. [d.i. Hanns Heinz Ewers], Richard Kühn. Gottfried August Bürger. In: Führer durch die deutsche Literaturgeschichte von Beginn bis zur Moderne. Berlin
“[S. 52] Am meisten hat ihn wohl Schillers Kritik gekränkt, in der es u.a. heißt: ´Man vermißt bei dem größten Teil der Bürgerschen Gedichte den milden, sich immer gleichen, immer
hellen, männlichen Geist, der eingeweiht in die Mysterien des Schönen, Edlen und Wahren, zu dem Volke bildend hinabsteigt, aber auch in der vertrautesten Gemeinschaft mit demselben nie seine himmlische Abkunft
verleugnet.´ Und diese lächerliche, von abgeschmackten, verlogenen Phrasen strotzende Kritik schrieb derselbe Schiller, der die ´Räuber´ schrieb! Auch in späterer Zeit ließ man Bürger selten Gerechtigkeit
widerfahren; bis zu unseren Tagen haben alle Moralphilister mit frechen Nasen das Familienleben des großen Dichters durchgeschnüffelt und daraus den echt pfäffischen Schluß gezogen, daß auch in seiner Dichtung
Bürger - weil unmoralisch - nicht zu werten sei! Geradezu ein Muster an widerlicher Moralheuchelei ist in dieser Beziehung der Aufsatz in der leider so weitverbreiteten, unsäglich verlogenen Literaturgeschichte von
R. König. Es ist nichtswürdig, irgendeines Künstlers Werke nach seinem Privatleben zu beurteilen, und doch ist es gang und gäbe in den meisten unserer sogenannten volkstümlichen Literaturgeschichten. [...]
Schuf der Dichter in seiner Ballade einen völlig neuen Ton, der bis heute noch unerreicht ist, so wirkte er in seinen ´Liebesliedern´ gleich bahnbrechend. Fast nichts von dem sentimentalen Säuseln seiner
Zeit, überall eine natürliche, sinnliche Leidenschaft und Glut. Dazu einen Klang und eine innere Musik in der Sprache, die ihresgleichen suchen. Seine Sonaten [Sonette] gehören zu den schönsten, die überhaupt
geschrieben wurden. Überall zeigt sich in seinen Gedichten der kräftige, vollblütige, aufrechtstehende Mann, der nichts über sich anerkennt und vor keinem Winkeldespoten sich duckt, wie so viele seiner Zeitgenossen;
überall leuchtet ein gesunder Haß gegen alles Kleine und Gemeine. Sprachlich bedeutet Bürger ungeheuer viel für die deutsche Literatur; er hat in dieser Beziehung mehr Schule gemacht, als einer der Klassiker. Mit
Ausnahme von Heinrich Heine hat es nie einen deutschen Dichter gegeben, der so überaus streng sich selbst gegenüber war, mit solch schneidender Kritik immer und immer wieder an seinen eigenen Sachen feilte und
korrigierte. [...] - Aber er darf sich trösten: nicht die Gegenwart ist es, die über einen Künstler das letzte Wort spricht, sondern meist erst eine sehr späte Nachwelt. Und unsere Zeit hat Bürgers gewaltige
Begabung längst rückhaltlos anerkannt und ihm endlich den hohen Platz in der deutschen Literatur eingeräumt, der ihm von rechtswegen gebührt.“
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1909
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Süd, Martin. Münchhausen. Eine Glosse zu G. A. Bürgers Psyche. In: Xenien,
“[S. 347] Aber welcher tiefere Zusammenhang besteht zwischen Bürger,der bereits ein alter Mann, an die Übersetzung ´Münchhausens´ geht und dem gedanklichen Inhalt der Dichtung? War ihm
die Übersetzung materielle Frage oder großes Bedürfnis, geistreicher Zeitvertreib oder zwingender Vorwurf?
[S. 348] Bürger war ein Mensch, der nie erreicht, was er gewollt. Seiner Sehnsucht Arme reckten sich
weit und ungestüm den Himmel an, wo seine Ideale wie Sterne blieben, höher und ruhiger, stets über jeglichem Wunsch und WoIIen. Manchmal freilich war er ihnen nahe, so nahe, daß er sie augenblicklich zu erreichen,
zu fassen und eins mit seiner Sehnsucht glaubte. Dann jubelte er und verlor, sinnberaubt den Halt und stürzte jählings, verzweifelt und verzweifelnd in den ehernen Fesseln seiner Pyrrhusnatur. In drei solchen Wellen
verrinnt sein Leben.und Dichten.
[S.351] Münchhausen, das Urbild des gefühllos lächelnden, oft niedriggesinnten, spielend des Lebens Bühne bezwingenden Lügners, wird jetzt durch seine Lüge zum moralischen
Probstein des einzelnen. Früher log er aus egoistischer Ursache, jetzt dem Nächsten zu Nutz. Erst glich er in seiner verblüffenden Zungenfertigkeit einem PuccineII, in seiner lächelnden SelbstverständIichkeit einem
Harlekin, nun ein Dorian Gray, gespiegelt im Spiegel der Erkenntnis, erkennt er bei weichendem Schein die todernsten, tiefgegrabenen Zeichen, die unerbittsame Wahrheit mit stets guter Hand in das Antlitz seines
Weltbilds geritzt. Er stutzt, er schweigt. Die Faschingsgewandung, die Maske fällt. Frei sind Brust und Aug. Jetzt sind Münchhausen und die Wahrheit sich nimmer erzfeind, aus zwei ward eins, aus Lüge und Wahrheit in
weiser Mischung ward Menschlichkeit. [...] Bürger hat sich wieder gefunden. Abseits von Welt und Lärm, in sich. Es war ein schwerer Kampf. Aber des Sieges willen zürnt er nicht mehr. Schon ist ihm der Tod nah.
Stillender Odem umfängt ihn. Gesundet, versöhnt und verzeihend geht er die letzte Wegstrecke. Über den Wipfeln seines Lebens ist Ruh.”
Süds Münchhausen in der ONLINE-BIBLIOTHEK.
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1909
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Nebe, August. Eine neue Bürgerausgabe. In: Preußische Jahrbücher
“[S. 514] Freilich, das feststehende Bild des seltsam verworrenen, widerspruchsvollen, im steten Auf und Ab vom Sturm der Leidenschaft umhergeworfenen Dichters kann naturgemäß
durch die zierlichen Tändeleien, die artigen Kleinigkeiten und auch die gelegentlich recht frivolen Scherze, die wir nun seinen Gedichten eingereiht finden, nicht wesentlich verändert oder bereichert werden.
[...] Kann die große Tragödie des Dichterlebens Bürgers, die durch Zügellosigkeit und Haltlosigkeit selbstverschuldet war, nur gemischte Gefühle auslösen, so bietet auch das Lebenswerk seiner Dichtung ein wenig
harmonisches Bild. ein kühnes Wollen, aber ein schwerfälliges Schaffen, hochfliegende Pläne in überstürzter Hast, aber rasches Ermatten und Sinken, ein lebendiger Drang, etwas Großes zu gestalten, aber ein
verhängnisvoller Mangel frei schöpferischer Phantasie und ein mühseliges Ringen mit dem Stoff. - Und derselbe Mann, der einst “mit Wort und Tat” zu zeigen strebte, “was wahre lebendige Volkspoesie sei”, und dessen
Lenore den lange verschütteten Weg zu jenem frischquellenden Jungbrunnen aller Dichtung glücklich wiederfand, der als ein vielbewundertes Kraftgenie sich Herder und Goethe zur Seite gestellt hatte, derselbe Mann
fügt sich später doch wieder den Künsten des Herkommens und ergießt seine stürmenden Gefühle in zwangvoll gefeilte Sonette. So trägt seine Dichtung den Stempel des Fragmentarischen und Unsteten.”
Nebes Rezension in der ONLINE-BIBLIOTHEK
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1909
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Der Volksfreund : Tageszeitung für das werktätige Volk Mittelbadens 19.06.1909
“Hätten wir die unsinnige Tarifpolitik nicht akzeptiert, die uns das Kilometerheft raubte, dann stünde es bei unsern badischen Staatsfinanzen heute um einige Millionen besser. Doch —
'hin ist hin, verloren ist verloren'."
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1909
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Der Volksfreund : Tageszeitung für das werktätige Volk Mittelbadens 04.03.1909
"Die bürgerlichen Parteien freilich sind dem entschlossenen Kampfe gegen die Junkersippe stets ausgewichen. Von jeher hat es dem Bürgertum an kräftigem Selbstbewußtsein gegenüber
den feudalen Schnapphähnen gefehlt, deren Anmaßung und Dreistigkeit nie auf ernsthaften Widerstand bei ihm stieß. Es ist auch nicht anzunehmen, daß die bürgerliche Klasse sich auf das besinnt, was ihr ein Dichter
gesagt hat, der nicht nur Bürger hieß, sondern auch ein aufrechter Bürger war: Viel Klagen hör' ich oft erheben Vom Hochmut, den der Große übt:
Der Großen Hochmut wird sich geben, Wenn unsere Kriecherei sich gibt.
Der deutsche Liberalismus hat sich für seine Aufgabe, die Macht des Junkertums zu brechen, als zu schwach erwiesen."
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1909
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Anzeige. In: Vorwärts 28.11.
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1910
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Weitbrecht, Carl. Die einleitenden Geister. In: Deutsche Literaturgeschichte der Klassikerzeit. Leipzig.
“[S. 25] Gottfried August Bürger, auch er wie die meisten Dichter dieser Gruppe ein Niedersachse; eine Natur von ungewöhnlich kräftiger poetischer Ausrüstung, aber von der Kraft
ethischer Selbstzucht zu seinem und seiner Dichtung Unheil in auffallender Weise verlassen; ein Lyriker und Balladendichter, dem die Poesie wie nur den Echtesten inneres Erleben, zwingende Naturnotwendigkeit war,
dem zur Größe eben nur das fehlte, was dem Dichter allein die Größe gibt: die Macht einer ernsten, vom ethischen Willen durchgearbeiteten und auf die Höhe gestellten Persönlichkeit. An ungezügelter Kraft, an
ungemachter Natürlichkeit, an Lebenswahrheit fehlte es seinen Gedichten nicht, und mit der äußeren Form nahm er es so gewissenhaft wie möglich; welch starke Wirkungen er zu erzielen wußte, empfindet man heute noch,
auch wenn man nur seine ´Lenore´ ins Auge faßt. Aber innerlich sind die wenigsten seiner Gedichte durchgeschafft und durchgeformt, und die Spuren seines vergeblichen Kampfes um persönlichen ethischen Halt verleugnen
sich auch in seiner Poesie nicht. Schillers vielgescholtene Kritik ´über Bürgers Gedichte´, die diesen selbst aufs tötlichste verletzt hat, erklärt sich leicht aus Schillers im Ästhetischen ursprünglich verwandter,
aber im Ethischen um so mehr entgegengesetzter, auch im Künstlerischen persönliche Selbstzucht heischender Natur, muß aber leider in allem wesentlichen zu recht bestehen bleiben.“
Der vollständige Beitrag in der ONLINE-BIBLIOTHEK
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1910
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Dühring, Eugen. Bürger der grösste Liebeslyriker der Welt. In: Personalist und Emancipator.
“[S.2145] Was ist überhaupt richtige und echte Liebeslyrik? Sie ist nie eine Erdichtung, sondern die kennzeichnende Wiedergabe eines Fühlens und Anschauens, das im Erleben und
Bewusstsein des sozusagen Sängers eine unmittelbare oder vergangene, am besten aber eine jedesmal gegenwärtige Wirklichkeit repräsentirt. Ohne diese persönliche Beziehung kann es nur Abgeleitetes und
Nachgeahmtes geben, das im giinstigsten Falle selber seine Kraft nur aus der Anfrischung durch die eigenpersönlichen Erfahrungen des Dichters erhält, die dem fremden Stoff mituntergelegt werden. Ueberall ist es also
eine Art Personalismus und wahre Wirklichkeitsdichtung in unserm Sinne, was den Ausschlag giebt und für Natur gegen Unnatur und Hohlheit entscheidet. Dieses erste und höchste Erforderniss ist bei Bürger vollständig
erfüllt, fehlt bei Goethchennaber insofern, als er meistens aus Allerlei zusammenmischt und obenein die wirklichen Erfahrungen nicht ehrlich als solche, wie sie waren, giebt, sondern, wo es ihm passt, unwahrst ins
Gegentheil verkehrt, wie wir dies besonders bezüglich der Stein und der zwei Fassungen des Mondliedes wohl genugsam ans Licht gebracht haben. Dem Schillerer fehlt in seiner Manier von seinsollender Liebeslyrik jede
Beziehung auf eine erlebte Wirklichkeit, die in der Erprobung der Geschlechtsregungen sonderlich über das Gemeine auch nur durch Intensität geschweige durch Höhe hinausgelangt wäre. Er war Nachahmer und blieb in
conventionellen Liebestraditionen stecken, die ihm nicht einmal das Leben sondern nur die Literaturgeschichte der Pedanten an die Hand gab, ,so dass er mit der Liebe fast nur in dichtungstechnischer Aeusserlichkeit
hantirte. Bei Bürger dagegen ist die Mollylyrik das Entscheidende. Diese war der höchste Aufschwung, weil der geliebte Gegenstand und dessen Eigenschaften ihn mit sich brachten. Unmittelbarkeit und
Wirklichkeit genügen aber noch nicht. Ein wesentliches Mehrerforderniss hoher Liebeslyrik sind die Hindernisse und ein Conflict, am besten einer mit der gemeinen Welt. Eine solche Conflictslage ist nun der
Fall Bürger's gewesen und eigentlich auch postum, ja bis heute in geistiger Weise geblieben. Jener Conflict gab seiner Liebe und derjenigen Molly's erst die bestimmte intensive, Alles überwindende Haltung und
Gestalt.”
Dührings Bürger der grösste Liebeslyriker in der ONLINE-BIBLIOTHEK
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1910
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Brunner, August und Stöckel, Hermann. Der Göttinger Dichterbund. In: Deutsche Literaturgeschichte für höhere Lehranstalten. Bamberg
“[S. 127] Gottfried August Bürger, geboren 1747 zu Molmerschwende bei Halberstadt, war wohl der begabteste Dichter des Göttinger Kreises, aber eine leidenschaftliche Natur; er
starb nach einem unglücklichen Leben im Jahre 1794 als Professor in Göttingen. Bürger führte, durch englische Muster (Percys Sammlung altenglischer Balladen) angeregt, die Ballade in die deutsche Literatur ein. Die Krone seiner Schöpfungen ist ´Lenore´,
ein durch schauerlichen Inhalt wie durch reiche Verwendung aller Sprachmittel höchst wirksame, ergreifende Dichtung. Nächst diesem Gedichte sind am bekanntesten: Das Lied vom braven Mann, Der wilde Jäger, Der Kaiser
und der Abt. Auch Lieder und Sonette dichtete er (z. B. ´An das Herz´); letztere trugen ihm selbst von seinem strengen Beurteiler Schiller Lob ein.“
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1910
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Hannoverscher Kurier : Hannoversches Tageblatt 30.11.1910
"Kleine Nachrichten.§ Hildesheim, 30. Nov.
Im hiesigen Verein für Kunst und Wissenschaft hielt gestern abend Professor Dr. Bauer einen Vortrag über 'Bürgers Molly-Lieder.'"
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1911
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Fischer, Ottokar. Farbenstudien. In: Das literarische Echo.
“[S.699] Für Bürger hat die Natur als solche bloß geringen Wert, er benützt sie als Folie seiner Gefühle, seiner Verliebtheit, als bequeme Ergänzung menschlicher Verhältnisse und als
reichhaltige Fundstätte wohlfeiler Vergleiche. Doch ist diese scheinbar indolente Stellung zur Außenwelt, zur Lichtwelt insbesondere, mitbedingt durch wesentliche Züge seiner Individualität. Es ist ja verwunderlich,
daß er bei seinen naturalistischen Grundsätzen nicht auch auf dem Gebiete der Gesichtswahrnehmungen große Anschaulichkeit erstrebt und erreicht hat. Seine Poesie gilt als Muster von darstellender, anschaulicher
Dichtung, aber das Wort “anschaulich” sagt zu viel: denn es sind nicht in erster Reihe Bilder, die bei ihm klar hervortreten, zu seinen Idealen scheint nicht die realistische Nachahmung
von visuellen Naturphänomenen gehört zu haben. Dagegen weiß er vorzüglich und in vorbildlicher Art, Naturlaute und andere Klänge wiederzugeben: “Und hurre, hurre, hop hop hop...” [...] Kein Wort von
einem Eindruck auf den Gesichtssinn. Und doch erzielt Bürgers Balladenpoesie, im Gegensatz zu seiner Lyrik, mächtige Wirkungen, die aufs Auge berechnet sind. Allerdings, es handelt sich da nicht um einzelne Farben,
sondern um die Kontrastwirkung von Farbenpaaren, nicht um die Pracht des Regenbogens, sondern um Licht- und Schatteneffekte; nicht um sattes Kolorit, sondern um dämmernde Konturen; und, was das wesentlichste ist,
nicht um eine ruhige Darstellung von Zuständen, sondern um eine Silhouettenfolge, um ein wildbewegtes Linienspiel, um das Vorbeihuschen flüchtiger Bilder: Lenore, vom toten Bräutigam entführt; die wilde Jagd durch
Saaten und Wiesen dem Verderben entgegen; “die Entführung”; der brave Mann im Kampfe mit den schwellenden Fluten; Graf Walter reitend und hinterdrein das verkleidete Mädchen - ein unaufhörliches Auf und Ab, ein
atemloses Dahinrasen, eine wilde Jagd von Bildern, die kaum fähig sind, in voller Beleuchtung zu erscheinen.”
Fischers Farbenstudien in der ONLINE-BIBLIOTHEK
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1911
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Hoernle, Edwin. Gottfried August Bürger. In: Beilage zur “Arbeiter-Jugend”.
“[S. 203] Manche von Bürgers Balladen können mit dem Besten, was Goethe und Schiller in dieser Gattung geschaffen haben, ruhig den Vergleich aushalten, ja was Temperament und
Anschaulichkeit anbetrifft, so finden sie wohl kaum ihresgleichen. Bei Bürger ist eben alles Empfindung, Farbe, Musik, er liebt die Aufregung, die Leidenschaft, das Starke, Verwegene, aber auch die tanzende Freude,
den geistigen Wettkampf und den treffsicheren Witz. Kein Wunder, daß eine so vulkanische Natur in Streit geraten mußte mit den Fürstenknechten, den Philisterzöpfen und Gelehrtenperücken seiner Zeit, daß er selber
mit verzehrenden Leidenschaften, die ihm Frieden und Gesundheit raubten, zu kämpfen hatte und schließlich durch fortwährendes Unglück gebrochen viel zu früh ins Grab sank. [...] Wie einst Luther, so ging auch
Bürger unter die Linden des Dorfes auf die Bleichen und in die Spinnstuben, um der Sprache und den Liedern des Volkes zu lauschen. Echt volkstümlich ist Bürgers Tonmalerei, die packende Anschaulichkeit seiner
Bilder, die lebhaften Zwiegespräche, die charakteristischen Ausrufe. Man hört bei ihm wirklich das Spinnrad surren, die Hunde bellen, die Peitschen knallen. In hastigen, kurzen Silben reden die Leidenschaften, in
langen, ruhigen redet die Schwermut. Man muß Bürgers Gedichte deklamieren, um sie recht zu würdigen. Auch der Humor kam bei Bürger zu seinem Recht, wie ´Die Weiber von Weinsberg´, ´Frau Schnips´, ´Der Kaiser und der
Abt´beweisen, welch innerer Zartheit aber dieser Mann neben der leidenschaftlichen Glut fähig war, das zeigen seine Lieder an Molly.
[S. 222] Die nicht einmal gerechte Besprechung, die Januar 1791 erschien,
macht Schiller keine Ehre. Sie ist aber verständlich, wenn man bedenkt, daß Schiller damals die große Rechtsschwenkung machte und fortan ganz anderen Auffassungen von Poesie, Kultur und Staat huldigte, als in seinen
Jugendwerken. Schiller verlangt vor allem Schönheit in der Kunst, Bürger das Charakteristische, Schiller sucht in der Poesie ein überweltliches Ideal, Bürger die Natur, das Leben, wie es ist; Schiller verlangt
sittliche Läuterung des Dichters als Vorbedingung seiner Kunst, Bürgers Gedichte sind aus dem Kampf und Zwiespalt hervorgegangen. Schiller hatte wenig Verständnis für echte Lyrik, aber sein Ansehen riß das
schöngeistige Publikum, das nie eine eigene Meinung hat, mit sich; der große Haufe jubelte neuen Göttern zu.
[S. 223] Die französische Revolution war es, die ihn noch einmal mit Begeisterung erfüllte. Wie
erstaunt mögen die braven Studenten der erzkonservativen Universität Göttingen aufgehorcht haben, als ihr Professor begeistert in der Vorlesung ausrief: ´Unser herrliches Zeitalter, da dem Stolze, der Tyrannei, dem
Despotismus selbst auf den Thronen so bange gemacht wird.´ In der Freimaurerrede ´Ermunterung zur Freiheit´gibt er seiner Gesinnung kräftigen Ausdruck, aber er meint: ´Nicht sowohl Waffen des Leibes, als vielmehr
Waffen des Geistes sind es, welche für Freiheit, Menschenrecht und Menschenwürde die glorreichsten Taten verrichte.´"
Hoernles Gottfried August Bürger in der ONLINE-BIBLIOTHEK
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1911
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Heinemann, Karl. Die deutsche Dichtung. Leipzig
“[S. 93] Aber wenigstens ein Gedicht hat der Göttinger Musenalmanach gebracht, das einen wahren Sturm der Begeisterung erregte, Bürgers Lenore (1774). Mit dieser Ballade stehen wir schon in der Blüte unserer Dichtung. Sie ist auf Herders Lehren aufgebaut, und des Dichters Begeisterung für Goethes Götz hat sie gefördert. Mit Recht sagt W. Schlegel von Bürger: ´Den deutschen Volksgesang erschufst du wieder.´ Seine Vorgänger und er selbst im Beginne seines Wirkens stellten in den Balladen oder Romanzen burleske Handlungen oder travestierte und parodierte tragische Stoffe dar, in der Lenore tritt zum ersten Male vor uns eine erschütternde und packende Handlung, ein ergreifendes Seelengemälde. Und worin liegt das Geheimnis der Wirkung? Bürger war Naturalist und wollte ´das Nachbild der Kunst´ ebenso gestalten wie ´das Vorbild der Natur´. Aber er erreichte noch viel mehr. Wir sehen und hören nicht nur seine Gestalten, sondern wir vergessen ganz, daß Worte zu uns sprechen und empfinden die Täuschung nicht, der wir erliegen. Um den schaurigen Stoff hat der Dichter das Geheimnis gewoben und sich nicht gescheut, ihn aus der dunklen Sagenwelt in das helle Licht der Gegenswart zu rücken, daß wir (ähnlich wie in Goethes Braut von Korinth) nicht wissen, was auch Lenore nicht weiß, ob der Bräutigam sie holt zur Hochzeit oder der Tod ins kühle Grab.
Graut Liebchen auch? - Der Mond scheint hell Hurra! Die Toten reiten schnell! Graut Liebchen auch vor Toten?
´O weh! Laß ruhn die Toten.´ und dann der rasende Geisterritt, den der Dichter mit allen äußeren und inneren Mitteln seiner Kunst zum Grausigen gesteigert hat, bis endlich die entsetzliche
Gewißheit eintritt und der leibhaftige Tod dasteht, ein Gerippe mit Stundenglas und Hippe. Wer das schrieb, war ein Dichter, aber leider hat Bürger, wenn auch manches seiner Gedichte und Lieder wie Der wilde Jäger, Das Lied vom braven Mann, Der Kaiser und der Abt, Die
Weiber von Weinsberg sich bis heute erhalten hat, nichts mehr, was der Lenore gleichkommt, geschaffen. Nur das Gedicht Des Pfarrers Tochter von Taubenhain kann ihm vielleicht an Kraft, Gegenständlichkeit und erschütternder Wirkung an die Seite gestelltt werden. Und das Tragische ist: es lag nicht an seiner mangelnden Begabung, sondern an seinem Charakter; er war ein haltloser, schwächlicher, seiners selbst nicht mächtiger Mann. Der Dichter, so spricht sich dem Sinne nach Schiller in seiner strengen Rezension der Gedichte Bürgers aus, der selbst nicht reif ist, wird nie etwas Reifes schaffen. Nicht der Beifall des gemeinen Mannes ist das Ziel des Volksdichters, sondern sich an den Kinderverstand des Volkes anzuschmiegen, ohne der Würde der Poesie etwas zu vergeben. Bürger bleibt immer im Stoffe kleben; es fehlte ihm das erste Erfordernis, die Kunst des Idealisierens, die Erhebung des Individuellen zum Typischen, des Zufälligen zum Notwendigen. Ganz anders urteilte Wieland. Er sah in Bürgers Gedichten wahre Volkspoesie und hielt sie für das Vollkommenste, was je von dieser Art in irgendwelcher Sprache gedichtet worden war. Sein eigener Geist wehte ihm aus manchen Gedichten entgegen. Bürger war fast ganz ein Wielandianer geworden.
[S. 147] Die Rezension über den Egmont, mit der Schiller die Anerkennung seiner Bedeutung erzwingen wollte, mußte Goethe, weil sie ungerecht war, noch mehr zurückstoßen, und die Professur der
Geschichte, die Schiller 1789 erhielt, war durchaus nicht ein Beweis der veränderten Gesinnung des Ministers. Erst Schillers Rezension über Bürgers Gedichte (1791) brach das Eis. Durch sie lernte Goethe den
Charakter, den Ernst und die Würde des Rezensenten kennen; er wünschte sie selbst geschrieben zu haben. “
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1911
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Barth, August. Der Stil von G. A. Bürgers Lyrik. Dissertation Universität Marburg.
“[S. 40] Eins der schönsten Mollylieder, dessen Aufbau recht bemerkenswert ist, ist ´Das Mädel, das ich meine´. In Str. 1 wird die ´Liebespracht´ des Mädels im allgemeinen besungen. In
Str. 2 bis 9 wird die Schönheit des Mädchens durch Vergleiche mit der Natur veranschaulicht, wie es schon im Minnegesang üblich war. Nachdem uns in den Str. 2 bis 7 die Einzelheiten der Schönheit nicht als
Vorhandenes, sondern als etwas unter den Händen des bildenden Schöpfers Entstandenes geschildert worden sind, wendet sich der Dichter in Str. 8 und 9 vom Einzelnen zum Ganzen, indem er uns den Wuchs des Mädchens und
die Schönheit ihrer Seele schildert. Str. 10 lobt den Bildner für seine Kunst und dankt für seine Gunst. In Str. 11 kehrt der Schluß zum Anfang zurück; auch das Wort Liebespracht wird wiederholt. Wie das Ganze sind
auch die einzelnen Strophen gebaut; auch hier kehrt der Schluß mit Modifikationen zum Anfang zurück. Die mittleren Verse der einzelnen Strophen entsprechen sich: Gott, der Schöpfer, wird immer erwähnt. Der Ton des
Liedes ist natürlich und volkstümlich; große Lebendigkeit wird dadurch erzielt, daß jede Strophe in Frage und Antwort zerfällt. Die Grundstimmung ist rein lyrisch, der Stil realistisch.
[S. 42] Wenn auch
Bürger an vielen Stellen gegen die Norm der Abtönung in der Elegie [als Molly sich trennen wollte] verstößt und oft im Ausdruck und in Vergleichen fehl geht, so können wir Schiller doch nicht Recht geben,wenn er sie
zu den ´mattesten Produkten´ Bürgers rechnet, Das Gedicht ist ganz aus der Situation hervorgegangen, eine ganz individuelle Schöpfung. Aber die Seele des Dichters ist noch zu stark bewegt, als daß er ruhig
hätte schaffen können; er steht ganz unter der Herrschaft des gegenwärtigen Affektes. Die Leidenschalt reißt den Dichter mit sich fort, er vergißt sich selbst und die Mitwelt, er kann dem Schmerz, ´der mit der
ganzen Hölle Wut in seinem Innersten tobt,´ nicht widerstehen, er ´muß ihn ausschreien´. Jedoch verstößt Bürger mit diesem Gedicht gegen die Norm der moralischen Anschauung: trotzdem er durch die heiligen Fesseln der Ehe an Dorette gebunden ist, sucht er sich über alle Bedenken der Moral hinwegzusetzen und erschwert gegen seine eigene, bessere Ueberzeugung seiner geliebten Molly einen Kampf, der sonst vielleicht von ihr glücklich durchgefochten worden wäre.
[S. 49) Der Dichter vieler Liebeslieder im frischesten, volkstümlichen Ton, der große Balladendichter, für dessen derbe, biedere Natur ein realistischer oder naturalistischer Stil sich am besten eignet, hat
auf dem Gebiet der Oden, die einen schwungvollen pathetischen Stil erfordern, vollständig versagt. Ihm widerstrebt wie Berger (Ged.Einl. S.12) richtig bemerkt, die sogenannte höhere Lyrik überhaupt.
[S. 55]
Die besten Leistungen auf lyrischem Gebiet hat Bürger ohne allen Zweifel in den schlichten, einfachen Liedern erreicht, die wegen ihrer volkstümlichen Frische und Herzlichkeit, ihrer tändelnden Schalkhaftigkeit
und auch wegen des in vielen dieser Lieder ausgesprochenen naiv-frommen Kinderglaubens und Gottvertrauens unwiderstehlich sind. [...] Abgesehen von den anakreontischen Jugendgedichten und Minneliedern,
verwendet Bürger in seiner Lyrik meistens nur Motive, die ihm durch das Erlebnis bekannt waren. Vor allem nehmen seine Kämpfe in der Liebe den breitesten Raum ein; er dichtet fast immer ganz individuell, das
Einzelne ist bei ihm nicht symbolisch für das Typische und Allgemeine. Wenn er der Forderung Schillers, das Individuelle und Lokale zum Allgemeinen zu erheben, auch nicht nachkommt, so müssen wir dennoch die
erstaunliche Kühnheit und Offenheit, die Kraft und Geschicklichkeit bewundern, mit der er ganz individuell das Erlebnis gestaltet ohne Rücksicht auf das Urteil der Welt.
[S. 115] Die Anschaulichkeit von
Bürgers Phantasie gibt sich in den Metaphern kund, in denen abstrakte Vorstellungen mit sinnlichen verglichen werden. Auch durch die Beiwörter weiß der Dichter die Anschaulichkeit bedeutend zu erhöhen. Abstrakte und
entfernt liegende Gegenstandsbegriffe verbindet er mit sinnlichen Beiwörtern. Ferner sind die Vorstellungen der umschreibenden Apperzeption viel anschaulicher, sinnlich faßbarer; sie erregen daher das Gefühl und
wirken ästhetisch. Auch durch die Kumulation wird die Anschaulichkeit gefördert und das gegenständliche Denken kommt zum Ausdruck.Für die kombinatorische Phantasie, die bei Bürger ziemlich schwach entwickelt war,
kommen vor allem die Metaphern in Betracht. Meistens verbindet Bürger in ihnen Vorstellungen, die nahe beieinander liegen. Er nimmt seine metaphorischen Vorstellungen aus der ihn umgebenden Natur, aus dem Tierleben
und menschlichem Leben, besonders gern aus dem Liebes- und Geschlechtsleben. Viel seltener verflicht er die Naturgewalten, Sturm und Wirbelwind, den zornigen Strom, das brausende Meer oder Sonne, Mond und Sterne in
seine Vergleiche. Viele seiner Bilder wiederholen sich recht häufig und widersprechen der Norm der Abwechselung und der Neuheit.
[S. 116] Die von Bürger angestrebte Klarheit und Deutlichkeit wird durch
Antithesen und Metaphern erzielt. Unser Dichter ist niemals in seinem Leben zu einer einheitlichen, tiefgründigen Lebens- und Weltanschauung gekommen. Das hat auch ungünstig auf seinen Stil eingewirkt: Weder in
Metaphern noch in Symbolen ist es ihm gegeben, uns die innersten Geheimnisse und eine tiefe Weisheit, die auf den Urgrund der Dinge zurückgeht, zu offenbaren. Ganz außerordentlich ist Bürger den Affekten
unterworfen; die Affekte der Unlust überwiegen bei ihm und geben vielen seiner Gedichte eine elegische Grundstimmung. Seltener herrschen die Affekte der Lust bei ihm vor, die eine glückliche, rein lyrische Stimmung
zustande komrnen lassen. Schon mehrfach haben wir auf den bedeutsamen Einfluß der Affekte auf den Stil in Bürgers Lyrik hinweisen können. Dieser gibt sich vor allem in den subjektiven ästhetischen
Apperzeptionsformen, in dem häufigen Gebrauch von Gefühls-, Wunsch-, Befehls- und Fragesätzen, in der bemerkenswerten Einwirkung auf die Satzfügung und Wortstellung kund.
[S. 117] Auch in den Metaphern, die
aus dem Liebes- und Geschlechtsleben entnommen sind, spielt die Erotik oft eine große Rolle; einige hätten dringend der Abtönung bedurft. Ferner macht sich das Erotische in den Beiwörtern geltend. So haben wir,
entgegend der veralteten Anschauung von einem äußeren Schmuck der Rede und grammatischer und rhetorischer Wort- und Sinnfiguren, auf Schritt und Tritt den Einfluß der Persönlichkeit auf den Stil, auf die
künstlerische Gestaltung des Wortes erkannt. Zugleich hoffen wir aber auch, die Lyrik Bürgers, die im Vergleich zu der Würdigung, die seine Balladen erfahren haben, immer recht stiefmütterlich behandelt und
vernachlässigt worden ist, einer gerechten Beurteilung unterzogen zu haben. Auch mit einigen seiner gelungensten lyrischen Gedichte darf der Dichter der ´Lenore´ jedenfalls unsern Größten ebenbürtig zur Seite
gestellt werden.”
Barths Dissertation in der ONLINE-BIBLIOTHEK
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1911
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Zaunert, Paul. Bürgers Verskunst. Dissertation Universität Marburg.
“[S.54] Ein vorteilhafteres Bild [gegenüber der leichteren, tändelnden Lyrik!] erhalten wir von der Lyrik Bürgers, wenn wir uns den Gedichten zuwenden, in denen ein leidenschaftlicherer
Ton angeschlagen ist, in denen das individuelle Gefühl des Dichters mit voller Kraft durchbricht. Hier hat Bürger sein Bestes an Liebeslyrik gegeben. Es sind die Lieder, in denen er seine Molly-Liebe mit all ihrer
Wonne und Qual ausgesungen hat. Die ganze Skala der Gefühle wird hier durchlaufen bis zum Ausdruck der glühendsten Leidenschaft. Diese Glut und Kraft des Unmittelbaren, Erlebten, des Ursprünglichen, teilt sich
auch dem Rhythmus mit und kommt auch ihm zu Gute. Und je origineller, individueller und ausdrucksvoller ein Versrhythmus ist, um so weniger wird er sich für eine längerer Reihe von Versen einem so strengen,
einengenden Schema fügen, wie es das der regelmässig dipodischen Gliederung von Typus I und II bei wiederholter Anwendung ist.”
Zaunerts Dissertation Bürgers Verskunst in der ONLINE-BIBLIOTHEK
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1911
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Eulenberg, Herbert. Schiller-Rede.
Schiller. Eine Rede zu seinen Ehren von Herbert Eulenberg. Leipzig 1911. Hier nach Norbert Oellers: Schiller - Zeitgenosse aller Epochen, Frankfurt/Main 1970
“[S. 248] Nein, zu einer sinnlosen Kanonisation Schillers, wie hier der überlebende Freund sie im unvergeßlichen Trennungsweh versucht hat, sollte auch kein Gedenk- und Festtag uns
verführen. Wir sind heute gewillt, das Leben auf Erden und unter Menschen zu führen, nicht unter Wesen mit Engelschwingen, nicht im Nebelheim der Ideale und Lügen. Ein vollkommen edles Geschöpf ist der Mensch
Schiller, der vor mehr als hundert Jahren sich auf der Durchreise hier auf Erden befand, nicht gewesen: Auf das kränkliche zarte launische Kind Schiller folgte der Jüngling und Karlsschüler, der sich die Tyrannei
seiner militärischen Erziehung in Stuttgart durch den Verkehr in üblen Quartieren und mit den wüstesten Burschen und Weibsbildern paralysierte, der die brünstigsten erotischen Lieder dichtete, der seinen Herzog und
fürstlichen Wohltäter an ihm und seiner Familie schlau wie ein geriebener Diplomat behandelte und einseifte, der seit seiner ersten Berührung mit dem Theater dem Publikum wie den Darstellern wie den Bühnenleitern
Zugeständnisse machte. Und diesem Jüngling Schiller folgte der Mann, der Monde lang zwischen zwei Schwestern mit seinem Herzen hin und her schwankte, der Frau von Kalb, die große Freundin seiner Jugend, kalt
verleugnete um Lottchens willen. Folgte der literarische Stänker, der sich in jeden ihm feindseligen oder widerwärtigen Quark einließ, der sich mit Kreaturen und Dichterlingen wie Manso, Fulda und Garve
herumraufte.* Folgte der falsche Richter, der Matthisson über alle Maßen als Jünger der wahren Schönheit pries*, der Jean Paul nicht verstand*, Hölderlin verachtete*, Bürger mit seiner sinnlosen Gehässigkeit in den
Tod getrieben hat*.
[An den mit * gekennzeichneten Stellen macht Oellers korrigierende Anmerkungen] “
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1911
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Brugier, Gustav. Gottfried August Bürger. In: Geschichte der Deutschen Literatur. Freiburg i.B. (Sammlung Helmut Scherer)
“[S. 280] Der begabteste Freund des ´Hains´ war Gottfried August Bürger (1747-1794), dem aber sittliche Kraft fehlte. Maßlose Leidenschaft, Kummer und Nahrungssorgen rieben ihn früh auf, so daß er lebhaft an Günther und Schubert erinnert. Seine Gedichte sind vielfach ein Spiegel seines zerrütteten Lebens. ´Er war ein geborner Volksdichter, ein echter Sangesmund, von dem die Sprache so leicht und wohllautend floß, fast wie bei den Minnesängern´ (Eichendorff). Dies beweisen vor allem seine Balladen, die ihn überaus populär machten. Doch ist leider der Inhalt seiner Gedichte öfters gemein und frivol. Die bekanntesten und besten sind ´Das Lied vom braven Mann´, das von der ´Treue´, ´Der Kaiser und der Abt´ und seine stofflich einer altdeutschen Sage entlehnte, berühmteste Dichtung: ´Lenore´ (1774), die rasch ganz Deutschland durchflog. “
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1911
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Beyer, Paul. Beeinflussung durch Bürger, Hoffmann, Goethe. In: Der junge Heine. Berlin.
“[S. 162] Aber erst das stürmisch-leidenschaftliche Jahr 1821 brachte Heine jenem Dichter besonders nahe. Damals mochte er in Bürger, wie einstens in Byron seinen wahren
Schicksalsgenossen entdeckt haben. Schon der gleiche, bei Bürger bekanntlich fingierte Name der Geliebten mußte den jungen Dichter tiefer als sonst berühren; Bürgers Liebeslust und tiefes Leid um seine Molly, es war
in vielem dem Heineschen zu der Geliebten gleichen Namens nur zu sehr verwandt! Jene Wahnzustände, mit denen Bürger sich ängstigt, ´als Molly sich losreißen wollte´: [...] Dieselben Vorstellungen ängstigen auch
Heine im vierten, besonders aber dem fünften Traumbild, wo er ursprünglich mit demselben Bilde schloß und es sogar weiter ausführte: [...] Hier hat zugleich aber auch der Schluß des ´wilden Jägers´ eingewirkt mit
seinem: [...]
[S. 165] Auch außerdem noch ist die Kenntnis gerade dieser Bürgerschen Ballade [Lenardo und Blandine] durch die gleichzeitige Anwendung desselben auffallenden Metrums bezeugt. Schon Hessel hat
die von Temperament sprühende, von W. Schlegel (VIII, 108) als ein Metrum ´in einem hüpfenden Silbenmaaß´ und als ´höchst maniriert´ bezeichnete Strophenform im siebenten Traumbild und in zwei Abschnitten des achten
wieder entdeckt. Auch hier also wie beim Sonett eine Durchbrechung der Schlegelschen Doktrin schon 1821!
[S. 166] Auch der inhaltliche Teil der Erzählung des fünften Geistes im achten Traumbild ist ein
Niederschlag des Inhalts von ´Lenardo und Blandine´, wie bereits Karl Hessel richtig erkannt hat: Beider Thema bildet die Liebe eines Niedergeborenen zu dem ´Töchterlein´ eines Königs oder Grafen. Gerade diese
Motivübernahme beweist die Vermischung der öfters wahrnehmbaren demokratischen Tendenzen Bürgers mit den ähnlich gerichteten des Bonner Burschenschaftlers. Sie geben sich noch an anderen Stellen des achten
Traumbilds kund, wie in dem Fluchen gegen die ´reichen Halunken´, ebenso im siebenten Traumbild darin, daß die Hölle statt mit Holz ´mit Fürsten- und Bettlergebein´ geheizt werde und in einem anderen satirischen
Seitenhieb: Dem Tanz der lüsternen, ein Schandlied im Kirchenton pfeifenden Pfäffelein mit den buhlerischen Klosterjungfrauen.
[S. 171] Auffallend ist also die Anzahl der von Bürger entlehnten Einzelmotive
und verstechnischen Einzelheiten. Auffallend und wohl auf Schlegels Warnungen rückführbar ist aber das Fehlen einer größeren kompositorischen Gesamtanleihe. Dadurch unterscheiden sich die Heineschen Stücke von der
Dichtung des Vulpius wie auch von Kosegartens ´Schön Hedwig´ (Leipzig 1798, I,212ff), deren mehr als durchsichtige Beziehungen zu ´Lenardo und Blandine´ sie zu einer plumpen Nachdichtung derselben stempeln, oder gar
von Körners ´Wallhaide´, einer ungenießbaren Kompilation Bürgerscher Balladen, sonderlich der beiden ´Lenardo´ und ´Lenore´. “
Der vollständige Beitrag in der ONLINE-Bibliothek
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1911
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Buchholtz, Arend. Aus preußischen Kriegslazaretten. In: Ernst von Bergmann, Leipzig. Digitalisiert von Google
“[S.
232] Es fehlt auch nicht an ziemlich vollständig geheilten Hiebwunden des Gesichts und fast vernarbten Fingerstümpfen, deren Träger es für passend halten, an jeder Station neue Scharpiebedeckung zu erbitten. Aber
die wohltätigen Damen sind nicht die einzigen. An den Zug treten noch andre als sie. Oft ist es, als ob man Bürgers Sie frug den Zug wohl auf und ab
Und frug nach allen Namen hier verkörpert sähe.”
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1911
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Eine offiziöse Kundgebung gegen die neugegründete Reichspartei in Elsaß-Lothringen. In: Allgemeine Zeitung, 02.12.
“[S. 831] Insbesondere inbezug
auf die Angriffe der letzteren konnte sich die Neugründung damit trösten, daß es nicht die schlechtesten Früchte sind, an denen die Wespen nagen.”
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1911
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Berliner Tageblatt und Handels-Zeitung, Morgen-Ausgabe 10.09.1911
"Geduld, Geduld, wenn's Herz auch bricht, das ist leider noch immer die Parole. Dabei sollte man eigentlich meinen, daß nun die Dinge genügend geklärt seien. Der Verzicht des
Deutschen Reichs auf politische Vorrechte in Marokko und das Zugeständnis, daß Frankreich eine Residentur in Fez einrichten darf, bedeuten eine so erhebliche Annäherung an den französischen Standpunkt, daß man das
Feilschen der französischen Regierung um die w i r t s c h a f t l i c h e n R e c h t e d e r D e u t s c h e n i n M a r o k k o nicht versteht."
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1911
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Anzeige. In: Hamburger Fremdenblatt 10.8.
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1911
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Anzeige. In: Hamburger Echo 2.03.
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1911
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Anzeige. In: Vorwärts 2.4.
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1911
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Anzeige. In: Vorwärts 5.7.
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1912
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Mönkemöller, Otto. Narren und Toren in Satire, Sprichwort und Humor.
“[S. 95] Bürger verlegt in ´Frau Schnips´, den Kampf gegen den Alkohol sogar in den Himmel. Hier macht wenigstens diese respektable Dame die Alkoholisten des alten
Testaments ausserordentlich madig, so z. B. den greisen Lot: ´Du auch, du alter Saufaus hast Gross Recht hier zum Geprahle Bist wahrlich nicht der feinste Gast
In diesem Himmelssaale!´ Allerdings benimmt sie sich dabei selbst so unpassend, dass ´Das Weib ist toll, ruft Salomo Hat zu viel Schnaps genommen.”
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1912
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Arnold, Engelbert. Der Göttinger Hainbund. In: Illustrierte Deutsche Literaturgeschichte. Berlin-Wien
“[S. 181] Nur äußerlich, gleichsam als Verwandter gehörte dem Bunde dessen hervorragenster Dichter Gottfried August Bürger an. Von Natur zum Volksmäßigen neigend und schon in seiner
Kindheit durch die alten Kirchenlieder dahin geleitet, nahm er die Ideen Herders mit Begeisterung auf. Obgleich sein großes Talent wegen der ihn niederdrückenden äußeren Verhältnisse nicht zur vollen Entfaltung
gedieh, ist er doch einer der größten deutschen Dichter, groß im Epischen wie im Lyrischen. [...] Herders Anregungen und Percys Sammlungen altenglischer Balladen führten Bürger auf das ureigenste Gebiet seiner großen Begabung: die Ballade,
die er in die deutsche Literatur einführte und mit höchster, unerreichter Meisterschaft behandelte. Bürgers Balladen sind von einer seltenen Jugendfrische und Kraft, wie sie sonst nur in den echtesten Volksliedern
gefunden wird, aber wie in diesen artet die Kraft oft in Derbheit aus, ja sie grenzt oft an das Rohe, was in der bei ihm zuweilen durchblickenden Vermengung des Volkstümlichen mit dem Gewöhnlichen seine Erklärung
findet. Aber von solchen kleinen Mängeln abgesehen, sind die besten unter seinen Balladen wahrhaft volkstümliche Gedichte, voll echter Leidenschaft, voll echter Melodie und wahrstem, lebendigstem Ausdruck.
[S. 182] Als die ´Lenore´ erschien, wurde ganz Deutschland von der höchsten Bewunderung hingerissen, durch sie wurde Herders Lehre vom Volksliede in glänzender Weise gerechtfertigt und zum allgemeinen Bewußtsein
gebracht. Die ´Lenore´ bezeichnet die gänzliche Umgestaltung der Balladenpoesie in Deutschland, wie Goethes ´Götz von Berlichingen´ die Umgestaltung des Dramas. Man hat viel darüber gestritten, ob Bürger bei der
Bearbeitung seine ´Lenore´ englische Vorbilder benutzt habe oder nicht; dies ist aber sehr gleichgültig; wie es sich auch damit verhalten mag, die ´Lenore´ ist Bürgers vollstes Eigentum, ´Fleisch von seinem Fleisch
und Blut von seinem Blut.´ Wenn auch die übrigen Balladen Bürgers diese erste an Großartigkeit nicht erreichen, so sind viele doch vollkommene Meisterwerke, und insbesondere werden ´Der wilde Jäger´, das ´Lied
vom braven Mann´ durch die echt volksmäßige Behandlung, ´Die Kuh´ durch die dem Dichter sonst nicht eigene kunstvolle Komposition, ´Der Kaiser und der Abt´ durch den trefflichen Humor immer
gefallen und nur mit der deutschen Literatur selbst vergehen. Außer den Balladen waren auch einige von Bürgers lyrischen Gedichten, wie das Trinklied: ´Herr Bacchus ist ein braver Mann´, das ´Dörfchen´: ´Ich
rühme mir mein Dörfchen hier´, und das ´Feldjägerlied´ sehr populär. Vortrefflich sind Bürgers Sonette, die auch Schiller für Muster ihrer Art erklären mußte, ´die sich auf den Lippen des Deklamators in Gesang
verwandeln´. Bürger setzte das Leben in seine poetischen Rechte ein, er strebte nach Schönheit der Form und bildete das musikalische Element der Sprache mit ausgezeichnetem Glück aus.“
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1912
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Majut, Rudolf. Farbe und Licht im Kunstgefühl Georg Büchners. Dissertation Greifswald
“[S. 103] Wozzeck und Andres schneiden Stöcke im Gebüsch. Andres ist fröhlich und singt, Wozzeck hängt allerlei ängstlichen Gedanken nach. ´Der Platz ist verflucht,´ sagt er. ´Siehst du
den lichten Streif da über das Gras hin, wo die Schwämme so nachwachsen? Da rollt abends ein Kopf. Hob ihn einmal einer auf, meint', es wär' ein Igel. Drei Tage und drei Nächte drauf, und er lag auf den
Hobelspänen.´ Darauf Andres: ´Es wird finster, das macht dir angst.´ Wir erfahren Büchners Einschätzung von Dämmerung und Dunkel als furchterregendes Element. Die Häufigkeit dieser Erscheinung, die wir später im
Zusammenhang betrachten, macht sie zu einem wesentlichen Bestandteil in Büchners Lichtgefühl. Was das Motiv des ´verfluchten Platzes´ anbetrifft, so scheint es Erbgut der Volksballade zu sein. In ´des Knaben
Wunderhorn´ bringt das Gedicht ´des Pfarrers Tochter von Taubenheim´ folgende Stelle: ´Da drunten auf der Wiesen Da ist ein kleiner Platz, Da tut ein Wasser fließen,
Da wächst kein grünes Gras. Da wachsen keine Rosen Und auch kein Rosmarein, Hab' ich mein Kind erstochen Mit einem Messerlein´ (482 ff.).
In Bürgers Ballade lautet die betreffende Strophe: ´Das ist das Flämmchen am Unkenteich, Das flimmert und flammert so traurig,
Das ist das Plätzchen, da wächst kein Gras, Das wird vom Tau und vom Regen nicht naß! Da wehen die Lüftchen so schaurig´ (241 ff.). Unter den Zeitgenossen Büchners
taucht das Motiv bei Hebbel auf als ´Böser Ort´ (VI,222). Büchner kann das Gedicht, das durch Schumanns Motiventlehnung leicht verbreitet sein mochte, nicht mehr gekannt haben. Alle diese Bilder haben
auffallenderweise einen gemeinsamen Zug: Inmitten des ´verfluchten Platzes´ ist ein Naturmotiv eingefügt, dessen Lichtqualität sich von der Umgebung unterscheidet. In der Volksballade durchfließt ein Wasser die
Wiese, bei Büchner durchzieht ein lichter, von Pilzen gebildeter Streifen den Grasplatz, bei Bürger flimmert ein Flämmchen, und bei Hebbel blüht zwischen lauter blassen Blumen eine dunkelrote.“
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1912
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Stöcker, Jakob. Otto Ludwig und sein Stil im ´Erbförster´. Dissertation Marburg
“[S. 26] Besonders bemerkenswert ist aber die lange Verzweiflungsrede des Erbförsters S. 102, 7 ff., wo er seine Kinder auffordert, eine Leierorgel zu kaufen und auf den Märkten das
Lied von dem alten Mordkerl zu singen, der seine Tochter erschoß, mit der phantastischen Stelle: ´Und unten hin macht noch ein Bild, wo der alte Mordkerl sich erschießt und als Gespenst umgeht bei Nacht. Und wo er´s
tat, da sitzt er wimmernd die Mitternächte hindurch mit seinen glühenden Augen und seinem weißen Bart; und da kühlt kein Lüftchen, und da fällt kein Trau und kein Regen, da wachsen giftige Blumen, das ist verflucht,
wie er selbst´ (102, 29 ff.). Wilhelm Schmidt-Oberlößnitz hat in seiner Untersuchung der ´Makkabäer´ darauf hingewiesen, daß diese Stelle anklingt an die zweite Strophe der Bürger'schen Ballade: ´Des Pfarrers
Tochter von Taubenhain´, und in der Tat mag diese Stelle Otto Ludwig, der ja die Ballade sehr gut kannte, vorgesehwebt haben. Ich setze sie zum Vergleich hierher: [...]Hier offenbart sich die Verwandtschaft Ludwigs
mit einem so urtümlich deutschen Geiste, wie es Bürger war, mit dem ihn überhaupt mancher Wesenszug verbindet. Die volkstümliche Kraft und Phantastik dieser Stelle hat verwandte Saiten in seiner Natur zum Klingen
gebracht.“
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1912
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Anzeige. In: Hamburger Fremdenblatt 4.2.
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1912
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Anzeige. In: Euskirchener Volkszeitung 23.09.
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1913
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Bab, Julius. August Bürger. In: Die Rheinlande. Monatsschrift für deutsche Kunst und Dichtung.
"[S. 69] Das wilde Zwiegespräch der verzweifelnden Tochter mit der alltagsklugen Mutter -
O Mutter! was ist Seligkeit? / O Mutter! was ist Hölle? / Bei ihm, bei ihm ist Seligkeit / und ohne Wilhelm Hölle! - darf als die große Geburt dramatischer Leidenschaft in der neuhochdeutschen
Sprachkunst neben den Gretchengebeten des Urfaust bestehen. Und der rasende Gespensterritt durch die Nacht -
Wie flog, was rund der Mond beschien, / wie flog es in die Ferne! / Wie flogen oben über ihn / der Himmel und die Sterne: bleibt in der unheimlich großen Landschaftsvision, wie in dem alles zum Fluge
auflösenden Tempo auch nach Goethes ´Erlkönig´ ein ganz vollkommenens Wortgefüge.
[S. 110] Es fehlte Bürger jene tiefe mehr als sinnliche Bezogenheit ´zur ganzen Welt´, durch die jede eigene Erfahrung
gleichsam transparent wird, sich in ein Symbol allmenschlicher Erfahrung wandelt. Wir hören zu viel von der Angelegenheit des Privatmanns und (was stark damit zusammenhängt) vom Rang des Dichters Bürger in diesen zu
begeisterten Gedichten. Er bleibt immer in eng eigner Sache, solange nicht eine epische Gewandung seinem Gefühl den wohltätigen Abstand, die Freiheit gab. Es ist charakteristisch, daß Bürger dasjenige von allen
Mollygedichten, das uns heute das ergreifendste ist, seinen Balladen einreihen konnte: ´Untreue über alles´ ist allerdings (obwohl ohne eigentliche Handlung) in der Märchenmetapher, mit der das lyrische Thema illustriert wird, im dialogischen Bau, in der refrainartigen Steigerung, der stark ausgemalten Situation dem balladesken Stil verwandt; hier wird auch die Länge des vierundzwanzigstrophischen Gedichtes ein Kunstmittel, weil uns die immer wiederholte Musik dieser wiegenden Zeilen allmählich das rauschende und berauschende Fluten des Kornfeldes, das die beiden Liebenden birgt, ins Gefühl zwingt.
[S. 112] Wenn man nur wenig aus Schillers noch rationalistisch durchfärbter Zeitsprache in unsere Ausdrucksweise übersetzt, so enthält Schillers Diktum auch uns noch die volle Wahrheit über den Dichter
Bürger: Es fehlte diesem reichen Talent für das Höchste der Kunst an einer menschlichen Qualität, einer geistigen Übermacht! Was ich vorhin das Fehlen der Transparenz, des symbolisch aufweitenden Klanges in Bürgers
Lyrik nannte, was Schiller mit der mangelnden ´Idealität´, dem Überwuchern des ´Individuellen und Lokalen´, dem zu Undistanzierten der Affekte meint - all das kann man sehr wohl darin begründet finden, daß Bürgers
starkes Temperament sich wesentlich an der sinnlichen Oberfläche der Dinge hielt, daß er im letzten Sinne eine untiefe, eine (trotz seiner zeitweiligen Begeisterung für Kant) unphilosophische Natur war. Er hat die
großen Worte von Tod und Ewigkeit, Tugend und Seele nie mit erneuerndem Gefühl durchlebt, er hat sie oft und stark, aber immer nur in der Konvention der Zeit angewendet - rhetorisch. Und deshalb war er auch im
Kulturellen nicht schöpferisch. Unsere ´Klassiker´ aber hatten erkannt, daß das Volk, für das sie in ihrer Jugend hatten singen wollen, erst zu schaffen sei - als Kulturvolk heißt
das, denn die hohen Werke für die man sich begeistert hatte, dieser Homer, dieser Shakespeare waren ja Offenbarungen einer in sich satten Kultur.
[S. 113] Damit soll aber nicht gesagt sein, daß das
lyrische Werk des Molly-Sängers für uns einfach tot und abgetan sei. Sind diese Gedichte nicht Lyrik höchsten Ranges, Lieder, die von ihrem Ursprung gelöst in höchster Freiheit jeden zu jeder Stunde wie eigenstes
Leben erschüttern können - als menschliche Dokumente bleiben sie von großer Kraft, von reichem Wert. Die deutsche Literaturgeschichte braucht nur vom Dichter der ´Leonore´ zu wissen, aber die Menschengeschichte soll alle diese Dokumente hüten, in denen mit größter rednerischer Inbrunst sich eine Seele ausspricht. Eine Seele, die vom Schicksal um ihre Siegesstunde wahrhaft furchtbar betrogen ward, die uns aber verehrungswürdig bleibt, weil sie Kraft und Adel genug hatte, diesen Betrug schwer bis zur Selbstvernichtung zu empfinden."
Babs August Bürger in der ONLINE-BIBLIOTHEK
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1913
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Eintrag im Filmbestand der MURNAU-Stiftung Wiesbaden, gefunden 2012:
“Lenore (Kurzfilm) aus dem Jahre 1913 Deutsche Erstaufführung: 21.02.1913 Länge: Land: Deutschland Autor: Gottfried August Bürger
Produktion: Eiko-Film GmbH, Berlin] “
Eine Nachfrage bei der MURNAU-Stiftung ergab, dass sich dieser Film nicht im Bestand befindet.
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1913
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Dresdner neueste Nachrichten 17.12.1913
"Die wiedergefunden. Wir nähern uns nämlich dem berühmten Datum - März 1912 -, da die großen Detektive der Präfektur rundweg erklärten, daß die Untersuchung des Falles in
eine Sackgasse geführt habe. Es gibt keine Mona Lisa mehr! Hin ist bin, verloren ist verloren. Die Preise verjährten, die Louvrefreunde gaben das Spiel auf."
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1913
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Anzeige. In: Erzgebirgischer Volksfreund mit Schwarzenberger Tageblatt 25.1.
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1913
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Anzeige. In: Wochenblatt für Zschopau und Umgegend 13.11.
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1913
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Anzeige. In: Wochenblatt für Zschopau und Umgegend 13.11.
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1914
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Hock, Stefan. Auf den Herzog von Gloucester. In: Zu Bürgers, Millers und Vossens Gedichten. In: Zeitschrift für die österreichischen Gymnasien.
Der Aufsatz von Hock enthält die in keiner Ausgabe von Bürgers Gedichten enthaltene Ode:
“Auf den Herzog von Gloucester.
Bei seiner Anwesenheit in Göttingen. Von Hrn. B. in der deutschen Gesellschaft vorgelesen.
O siehe, von Georgens Thron senket sich, Augusta, sieh! ein göttlicher, heller Geist Und schwebt dein stilles Tal herunter. Zeuch ihm entgegen mit Opferschalen!
O hätt’ ich nun aus Patareus´ Sonnensaal Das Hymneninstrument des verherrlichten, Am frohen Tisch des Wolkenzwingers Seligen thebischen Göttersängers!
Und könnte dann die glühende Seele schnell
Im Sturme des Gesanges die Lippen ganz Hinüber jagen! O wie wollt’ ich Steh’n vor dem herrlichen Königsbruder,
Mein Haupt in hoher Bardenbegeisterung Gewaltsam in den Nacken gebogen, und
Empor die Augen brennen, mit der Eilenden Hand in [die] Saiten fahrend.
Dein Sohn, Augusta, einer der Jüngsten [noch], Würd’ ihm Gesang weih’n, männlicher Barden wert,
Der übers Meer bis in der Britten Selige Insel hin schallen sollte,
Von wannen manches Edlen Lob süß zu uns, Wie Spezereienhauch von dem glücklichen Arabien, herüber wallet,
Wo der erhabenste Szepterführer
Georg in hauptumflammender Glorie Vom Thron, den ihm mit hellen Kleinodien Der Schwinger des Tridents behangen, Wonne den westlichen Zonen ausgießt.
Um seinen Stuhl her schimmern im lichten Chor Die hohe Weisheit, Güte, Gerechtigkeit Und Großmut — — —Welche Zunge nennet Mir der Olympischen Töchter alle?
Ach! seit dem menschenfreundlichen Titus, seit Trajan dem Guten, seit den vortrefflichen, Des Himmels werten Antoninen Haben die glänzenden Schwestern selten
Auf einen Purpurmantel so sanftes Licht
Gegossen! — Ach, drum ist er den Britten auch So wert; drum jauchzt selbst ihre Göttin Freiheit, entzückt von ihrem Liebling
Und Ober-Schutzgott, rundherum wonniglich
Von edlern Patrioten umstanden, hoch, Wie Krieges-Heerposaunen klingen: Donnerer, segne der Britten König!
Die Göttin, die sonst, wenn sie von ferne her Das eh’rne Joch kaum hallen hört, eilend den
Heillosesten Dämonen winket! Meuterei wandelt dann aus dem Orkus
Empor, in schwarzen Klauen den schäumenden, Mit Gift gefüllten Becher gewaltigen Beherrschern kühn entgegen stoßend.
Hinter ihr raset der wilde Aufruhr,
Der bitter, markdurchdringend mit Zähnen knirscht Und tobend, stracks, wie Gottes verderbliche Gewitter, an die Häuser, Tempel,
Selbst zu den fürstlichen Burgen aufbraust,
Sich ungeberdig, kollernden Rossen gleich, Hinan bäumt an den heiligen Herrschertron Und Königsblut, sein Nektar, in den Jauchzenden Rachen hinunter gießet.
Hohn euch, ihr Ungeheuer des Tartarus! Sein Blick der Güte, sonst so beseligend, Ist euch statt drohenden Geschosses, Zwinget zurücke euch, Höll’ hinunter!
Sein freu’n darob Getreue sich inniglich, Die für ihn in teutonischer Zunge an Der Weser, Aller, Leine beten. Aber die trauren, daß ihre Augen
Nie den geliebten Vater des Landes sah’n.
Doch — Balsam ihrer schmachtenden Sehnsucht ist Der Anblick dieses Bruders, gleicher Göttlicher Tugenden holden Lieblings.
Ach! daß er gleich Olympern Minuten nur
Sie dieses Schauens würdiget! — Schaut ihn denn, Eh’ sein Gespann ihn von euch reisset, Bis in Entzücken eu’r Blick entschlummert!”
Der vollständige Beitrag von Hock in der ONLINE-BIBLIOTHEK.
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1914
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Bab, Julius. Einleitung. In: Gedichte von Gottfried August Bürger.
„[S. XVI] Daß Bürger kein Lyriker war, darf nicht aus den Produktionen seines Anfangs bewiesen werden – die ersten Gedichte des jungen Goethe zeigen auch nicht mehr.
[S.XXVI] So wurde die Leonore (mit den andern Bürgerschen Balladen, die einzeln jener nicht ebenbürtig doch im Gesamtgewicht mächtig mitwogen) Ausgang einer großen Tradition. Die ganze
lyrisch-epische Poesie deutscher Sprache, auch die Schillersche und selbst die Goethesche nicht ganz ausgenommen, vor allem aber die romantische Dichtung bis zur Ballade Heines und Hebbels, steht tief in ihrer
Schuld. Und diese Balladenpoesie ist noch heute der lebendig wirksame Teil der Bürgerschen Dichtung.“
Babs Einleitung in der ONLINE-BIBLIOTHEK.
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1914
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Hebbel, Friedrich. Tagebucheinträge. In: Friedrich Hebbel Tagebücher. Zweiter Band 1840-1844, Berlin-Steglitz. Digitalisiert von Google
“[S. 165, Hamburg, 28.-29. März 1840] Bürgers Gedichte machen doch, wenn man die ganze Sammlung durchlies't, einen äußerst beschrankten, dumpfen Eindruck. Außer: Lenore; das Lied von
der Treue; und einigen wenigen anderen Stücken wird sich Nichts halten. Die dumme Vergötterungssucht der Herausgeber hat unendlich viel Mittelmäßiges hinein gewunden, so daß man die Blumen im Strauß vor dem Grase
kaum finden kann.
[S. 224, 6. Febr.1843 Copenhagen] In meiner Jugend und frühsten Kindheit gingen die Dinge, die mich umgaben, fast in mich über. Mit welch unendlicher Seligkeit führte ich bei meinem
Zeichenlehrer Harding die erste Zeichnung aus. Ein Garten, Herbsttag, ein Mädchen stand hinter der Pforte. Mir war wirklich, als müßte die von mir gemalte Pforte sich aufthun, sobald ich nur auch das Mädchen fertig
gemacht. Ich hab' das Gefühl noch ganz, aber wie wär's auszudrücken! Auch die Nacht, wo ich mit dem Sohn des Malers zusammen aufsaß und wir Bürgers Lenore mit einander lasen. Wonne, Wehmuth, Leben, Tod, Alles auf
einmal: ein Urgefühl! “
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1914
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Fluck, Hans. Beiträge zu G. A. Bürgers Sprache und Stil mit besonderer Berücksichtigung seiner Iliasübersetzung. Dissertation Universität Münster
"[S. 12] Bürger ist sich völlig klar, daß die sämtlichen bisher erschienenen Übersetzungen - auch die ausländischen wie die Bitaubés und die Popes - zu verwerfen seien, weil sie
Homer in ein modernes Gewand kleideten. Eine wichtige Eigenschaft einer solchen Übersetzung sei es aber, daß sie nach Altertum schmecke, ein ´Charakter, den die Liebhaber der Antike höchst ungern vermissen´. Der
Dichter hat also, und das schon in der frühsten, der jugendlichen Arbeit von 1769 den richtigen, aber noch von keinem Übersetzer verwirklichten Gedanken, daß das homerische Epos auch in homerischem Stile übersetzt
werden müssen.
[S. 13] Als Quellen, aus denen er sich seine Sprachschätze holen will, nennt Bürger die mittelhochdeutschen Dichterwerke, besonders die Minnesänger, ´bis nach Opitz´ herunter´, dann Luthers
Bibelübersetzung, besonders die poetischen Bücher der heiligen Schrift, und Luthers übrige Schriften, endlich von neueren Dichtern Klopstock und - merkwürdigerweise - Ramler sowie Kretschmann, den Barden Rhingulf!
Der homerische Ton soll nach Bürgers Leitsätzen ferner dadurch gewahrt werden, daß der Übersetzer derbe Stellen des Originals, die dem empfindlichen Geschmacke der Zeit leicht anstößig schienen und
deshalb von allen früheren Übersetzern ängstlich umschrieben wurden, ruhig und natürlich so übersetzen solle, wie diese Stellen dem Ohr einer früheren natürlicheren Zeit geklungen haben.
[S. 14] Will der
Dichter auf diese Weise den homerischen Stil, oder wie er sagt, ´die Homerheit´ für seine Übersetzung gewinnen, so soll ihm umgekehrt aber auch das deutsche Element nicht zu kurz kommen. [...] Schließlich wählt er
den fünffüßigen Jambus unter dem Beifall Goethes und Wielands [...]. Den Hexameter, den wie auch alle griechischen Odensilbenmaße die wenigsten Deutschen leiden könnten, lehnt er entschieden ab, weil er dem
deutschen Sprachgeist widerspreche.
[S. 15] Fand so Bürger bei seinen archaisierenden Bestrebungen auch den Beifall seiner vornehmsten Zeitgenossen. so führte ihn doch sein Bemühen gleich zu weit, indem er zu
viele schon abgestorbene Wörter wieder aufnahm. Neben diesen finden sich dann auch ganz neue kühne Wortprägungen und Wendungen, so daß seine Sprache in den Iliasbruchstücken eine unausstehlich schillernde Färbung
erhalten mußte. Der Wunsch endlich, die kräftigen homerischen Ausdrücke nicht, wie vorher üblich, zu umschreiben, führte seine maßlose Natur zu Übertreibungen, ja sogar zu offenbaren Rohheiten, indem er - darin ein
echtes Kind des Sturms und Drangs - die kräftige natürliche Sprache des Originals noch weit zu überbieten sich bemühte.
[S. 18] Zuweit ging Bürger endlich in seiner Übersetzung insofern, als er Homer ganz zu
einem alten Deutschen machen will. Der Leser solle in den süßen Wahn geraten, ´daß Homer ein alter Deutscher gewesen und seine Ilias deutsch gesungen habe.´ Hinzu kommt noch die wunderliche Auffassung Bürgers, daß
die Welt Homers und die des deutschen Mittelalters, das er hauptsächlich aus den zeitgenössischen Ritter- und Räuberromanen kannte, einigermaßen ´konzentrische Kreise´ seien, eine Ansicht, die sich aus der
mangelhaften, stellenweise sogar falschen Kenntnis des Mittelalters zu Bürgers Zeit nur einigermaßen begreifen läßt.
[S. 21] Sieht es schon nach dieser Kritik um den Erfolg der Übersetzung sehr schlimm aus,
so wird er ganz in Frage gestellt durch folgendes: Bürger war kein Genie, sondern nur ein reiches Talent, das sich gelegentlich, in immer spärlicher werdenden Stunden glücklichen Schaffens, zu einer genialen
Schöpfung sammelte. Von den Ausdrucksmöglichkeiten der Poesie beherrschte er eigentlich nur die betrachtende Lyrik im Sonett und die Form der Ballade; letztere allerdings auch vollständig, und hier ist er
bahnbrechend gewesen. Seine Lyrik ist nur insofern originell, als sie auf dem Boden des Sinnfälligen bleibt.
[S. 22] Es kommt also zu den schon ausgeführten Mängeln in Bürgers Iliasübersetzung noch der
hinzu, daß der Dichter seine Vorlage ganz in der im geläufigen episch-lyrischen Balladentechnik übersetzt; am liebsten hätte er eingestandenermaßen die ganze Ilias in Balladen umgegossen, wenn sich das hätte
ausführen lassen können.
[S. 23] Getreu dem Grundsatze seiner naturalistischen Ästhetik verlangt Bürger von der Sprache, sie solle dem dargestellten Gegenstande so folgen, daß man schon an dem Äußerlichen,
ohne durch den Sinn der Worte es erst zu erfahren, den Fall des schweren Körpers, das brausende oder sanfte Hinfließen des Flusses oder das wallende Aufsteigen des Rauches fühlen müsse. Daher finden wir in Bürgers
Jamben eine sehr verbreitete Anwendung des Stabreims, des Vokalspiels, onomatopoetische Wörter und sonstiger Lautmalereien. Diese rhetorischen Schmuckmittel, mögen sie auch noch so glücklich angewandt sein, und
mag Bürger im einzelnen noch so schöne Wirkungen damit erzielt haben, als solche und in diesem Umfange gehören sie nicht in das große Epos, zu dessen Stil immer die schlichte, natürliche, sich selbst genügende
Objektivität gehört hat, von Homer bis Gottfried Keller.
[S. 53] Ein Hauptmittel zur Erreichung der Volkstümlichkeit, wie sie sich bei Bürger äußert, ist das Humoristische , für das Bürger eine ausgezeichnete Begabung hat. Zwar fehlt seiner zerrissenen Natur der göttliche Humor eines Goethe oder Gottfried Keller, der auf einer sichern, allen Zufälligkeiten des Lebens überlegenen Geistes- und Gemütsverfassung beruht; aber jede Art der Komik, besonders die niedere, beherrscht Bürger mit vollendeter Meisterschaft: sein ´Münchhausen´ ist das sprechendste Beispiel dafür und mit ihm die groteske Komik manch burlesker Romanze.
[S. 54] Wie aber jede Komik meistens auf dem Unerwarteten und Neuen beruht, das eine Erscheinung an sich hat, oder, nach Schopenhauer, auf der paradoxen und daher unerwarteten Subsumption eines Gegenstandes
unter einen ihm übrigens heterogenen Begriff, so wirkt auch Bürger im Wortwitz oft durch ein neues oder ungewöhnliches Wort wie das humoristische Denomen ´sich entalinen [Die Königin von Golkonde]´, d.h. Kleid und
Wesen der Aline ablegen [...].
[S. 55] Fassen wir zusammen, was Bürger Klopstock, was er dem Sturm und Drang verdankt, so muß festgestellt werden, daß der sprachliche Einfluß Klopstocks ungleich größer ist
als derjenige der Stürmer. [...] Wie aber Bürger überhaupt eine glückliche Mitte zwischen der Richtung Klopstocks und derjenigen der jungen Genies einnahm, so hat er wenigstens auch eine - sehr weit reichende -
sprachliche Eigentümlichkeit mit dem Sturm und Drang gemeinsam, nämlich die Speisung der Sprache aus dem unerschöpflichen Sprachreichtum der Mundart."
Flucks Dissertation in der ONLINE-BIBLIOTHEK
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1914
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Hannoverscher Kurier : Hannoversches Tageblatt 29.5.1914
"Tonkünstlerfest in Essen. Schließlich mußte man noch eine harte Probe bestehen: Emil Mattiesen ließ von Anton Sistermans, mit Walter Meyer-Radon am Klavier, seine Ballade
'Lenore' (nach Bürger) Ereignis werden. Ohne Frage ein braver Tonmaler, der im dramatischen Liedertafelstil noch manche schaurig-schöne Weise verfassen wird. Gelegentlich besteigt er sogar die Ganz-Tonleiter, findet
sich aber nach solchen Extravaganzen schnell wieder zurück auf den sicheren Boden bewährter Wirkungsmittel. Wenn er sich in Zukunft Dichtungen von geringerer Ausdehnung aus Korn nähme, würden alle Teile besser
wegkommen."
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1914
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Kölnische Zeitung 08.11.1914
"Der Violinvirtuose und Komponist Franz Stahr in Köln hat außer einer schon Anfang des Sommers geschriebenen Violin-Klavier-Sonate, soeben eine dreiaktige Oper, betitelt Ein
Minnespiel vollendet, zu der er auch den Text nach G. A. Bürgers Dichtung Leonardo und Blandine selbst geschrieben hat."
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1914
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Hannoverscher Kurier : Hannoversches Tageblatt 3.12.1914
"Deutschland marschiert. Zwischen den Zeilen seiner stets pietätvollen Briefe war es zu lesen, wie wenig ihm selbst daran lag, noch einmal am Familienherde sich zu wärmen,
sich von überzärtlichen Frauen bemuttern zu lassen. Am Ende würden sie sich gar bemühen, ihn in seinem Heroismus zu schwächen oder irre zu machen! 'Hin ist hin — verloren ist verloren,' dachte sie 'stracks geht er
seinen Weg und ich den meinen; erst im Jenseits wird unsere Bahn wieder die gleiche sein.'"
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1914
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Anzeige. In: Erzgebirgischer Volksfreund mit Schwarzenberger Tageblatt 24.12.
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1914
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Anzeige. In: Hamburger Anzeiger 6.2.
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1914
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Anzeige. In: Hamburger Echo 18.1.
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1914
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Anzeige. In: Hamburger Fremdenblatt 25.1.
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1914
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Anzeige. In: Volksblatt für Harburg 8.12.
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1914
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Anzeige. In: Vorwärts 22.3.
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1915
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Spiero, Heinrich. Göttingen und Eutin. In: Geschichte der deutschen Lyrik seit Claudius.
“[S. 13] Bürger ist eine in vielem durchaus problematische Natur; die innige Ruhe in Gott, die Beschränkung auf sich selbst und den nächsten Kreis, die im eignen Herzen eine stille
Quelle findet, kennt er nicht, wie sie Claudius gegeben waren. Er ist immer im Sturm, immer in Unruhe, fällt von einem Äußersten ins andre, lodert und flammt hell auf und sinkt wieder in trübste Tiefen. Dafür gelang
denn ihm, der in manchem Sinn zeitlebens ein Zerrissener war und dessen mangelnde Bändigungskraft für die eigne Seele Schiller so abstieß, an gesegnetem Tage ein Klang, der ganz aus tragischen Tiefen emporkam: [...]
All das aber, was sich widersprichsvoll in Bürger wälzte, ward erst vollendete Gestalt in der Ballade, als deren ältester Meister er unvergänglich geworden ist. Wir wissen, welche Schauer die
Genossen ergriffen, als er zum erstenmal ´Des Pfarrers Tochter von Taubenhain´ vorlas, als er die mit gespenstischem Schritt in dem Maße rasenden Galopps vorübereilende ´Lenore´ sprach, und wir empfinden die Gewalt
dieser Dichtung heute noch ebenso.”
Der vollständige Abschnitt in der ONLINE-BIBLIOTHEK
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1915
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Busse, Bruno. Bürger und Schubart. In: Otto Lyons Handbuch der deutschen Sprache für höhere Schulen. Zweiter Teil: Deutsche Literaturgeschichte. Leipzig und Berlin.
“[S. 115] So war seine Erholung die Beschäftigung mit Homer, den er übersetzen wollte, mt Ossian, Shakespeare und dem Volkslied, und früh erwachte in ihm der Wunsch, der von Herder
gepriesenen Volksdichtung es gleichzutun. Einige zufällig aufgefangene Worte eines Volksliedes gaben ihm den Gedanken zu seiner einzigen wahrhaft großen Schöpfung: ´Lenore´(1773), der stürmisch-bewegtesten Ballade,
die wir haben. Leider hat Bürger diese Höhe nie wieder erreicht, schon der ´wilde Jäger´ bleibt zurück, ´Das Lied vom braven Mann´ noch mehr, nur in ´Des Pfarrers Tochter von Taubenhain´ reißt das erschüttende, vom
Sturm und Drang so oft bearbeitete Motiv von der Kindsmörderin ihn noch einmal empor, da er in seiner richterlichen Praxis unmittelbar die Tragödie miterlebt hatte. [...] Er gab seine Stelle auf, ging als Dozent
nach Göttingen und heiratete Molly, leider starb sie schon wenige Monate später. Seiner Liebe zu ihr entsprangen seine schönsten lyrischen Gedichte, ihrem Andenken noch ist seine kunstvollste Schöpfung: ´Das hohe
Lied von der Einzigen´, geweiht. [...] Dazu vernichtete Schillers harte Kritik (Allgemeine Literatur-Zeitung, 1791) auch seine Sicherheit als Künstler.
[S. 116] Wir haben dem oft mit Günther Verglichenen
außer unserer stärksten Ballade auch noch unser letztes Volksbuch zu verdanken, da er 1787 die Lügengeschichten des Barons Karl Friedrich Hieronymus von Münchhausen aus dem Englischen Raspes zurückübersetzte und
stark erweiterte.“
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1915
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Schulhof, Hilda. Eichendorffs Jugendgedichte aus seiner Schulzeit. Prag
“[S. 31] Wie sich die Fabel auf Hagedorn stützt, so stehen die beiden ausgeführten Balladen (´Der brave Woltemade´ 21, Ende 1803, und ´Kunz und Gertrude´ 22,31 Anfang 1804) im Zeichen
der Bürgerschen Balladendichtung. Die erstere ist, wenigstens in Bezug auf den Inhalt, eine getreue Nachbildung von Bürgers ´Lied vom braven Mann´. Ihren künstlerischen Eigenwert erhält die Dichtung Eichendorffs
durch die ganz selbständige, von ihrem Vorbild sich befreiende Technik, die noch später besprochen werden soll. Hier ist nur kurz zu erwähnen, daß Eichendorffs Gedicht gegenüber Bürgers ´lyrischer Ballade´ rein
epischen Charakter hat. Die kraftvolle Dichtung ist leider Fragment geblieben. ´Kunz und Gertrude´ muß wegen des erotischen Inhalts etwas später angesetzt werden, also etwa zu Beginn des Jahres 1804. (Die zweite
Fassung noch später.) Damit hört das indirekte Erlebnis auf, denn dieses Symptom der Abhängigkeit muß mit der allmählich beginnenden Individualisierung schwinden. Diese
letzte Ballade liegt in zwei verschiedenen Fassungen vor und ist in Anlehnung an die bekannte Bürgersche ´Entführung´ entstanden, aber auch andere Balladen Bürgers haben Züge dazu geliehen. Der Zusammenhang ist so
innig, daß sogar die Namen der Helden beibehalten wurden. ´Gertrude´ bei Bürger - ´Trudehen´ und ´Gertrudchen´ in unserm Gedicht. Der Name des Helden, Karl von Eichenhorst, erfuhr, vielleicht aus Scheu vor dem
Anklang an den eigenen Namen, die Änderung in Karl von Palmenhorst. Aus demselben Grunde wurde auch Bürgers ´Reichsbaron´ (in der zweiten Fassung Kunz von Markenstein) in ´Reichsgraf´ umgewandelt. Die erste Fassung
läßt, obgleich sie unvollständig ist, doch darauf schließen, daß der Gang der Handlung dem der vorbildlichen Ballade im Wesentlichen geglichen hätte. Wichtige Motive des Bürgersehen Gedichtes, wie der nächtliche
Ritt des Liebhabers zu Gertrudens Burg und die Unheilsbotschaft, sind zu Anfang ausgeführt.
[S. 33] Andere Stellen sind sowohl motivische als wörtliche Entlehnungen, zum Teil auch aus andern Bürgersehen Balladen. [...] Die Hauptunterschiede dieser ersten Fassung von ihrem
Vorbild liegen hauptsächlich auf technischem Gebiet, außerdem fehlt die Gestalt der Zofe, die Unglücksbotschaft ist dem Turmwächter in den Mund gelegt. Die zweite vollständige Fassung nähert sich Bürger darin etwas
mehr, daß sie die Gestalt der Zofe wieder einführt und auch den Schauplatz der Handlung wieder in die Burg verlegt, während sie sich in der ersten Fassung im Freien, auf dem Platz vor der Burg abspielte. Auch hier
wieder Anklänge im Einzelnen.
[S. 34] Wichtiger aber als diese Übereinstimmungen ist ein einschneidender Gegensatz in der Auffassung, der im innersten Wesen des Dichters begründet ist und der ihn dadurch zu
einer Änderung der Handlung zwingt. In Eichendorffs Ballade kommt es nicht zur Entführung. Gertrude weigert sich den Vater zu hintergehen und will lieber auf ihr Glück verzichten. Der alte Graf hat sie belauscht,
ist durch ihre Tugend umgestimmt. Alles löst sich in Wohlgefallen auf und das Gedicht schließt mit einer befriedigten Moral, die noch an Hölty erinnert. Bürger, mit seiner leichteren,
frivolen Auffassung, steht über den Ereignissen und sieht belustigt zu, wie der alte Vater vom Trotz der Kinder überrumpelt schließlich gute Miene zum bösen Spiel machen muß. Anders ist natürlich die Auffassung des
16jährigen Knaben, dem bei einem derartigen Milieu die eigenen, persönlichen Verhältnisse noch lebhaft vor Augen stehen. Ihm würde es unmöglich und ungeheuerlich scheinen, den Vater eine so klägliche Rolle spielen
zu lassen (vgl. die Figur des Vaters im ´1. Maitag´ und ´Am Grabe des Bruders´). Er löst also den Konflikt (wie schon angedeutet) durch den kindlichen Gehorsam der Heldin. Auch die jämmerlich komische Gestalt des
blamierten Nebenbuhlers mußte wegbleiben. “
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bis 1789 1790-1799 1800-1806 1807-1815 1816-1821 1822-1825 1826-1828 1829-1831
1832-1836 1837-1840 1841-1845 1846-1850 1851-1855 1856-1858 1859-1861 1862-1865
1866-1868 1869-1870 1871-1880 1881-1897 1898-1915 1916-1949 ab 1950
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13042023-141
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